kunstraum: Von Schein und Sein

Sie wolle etwas Schönes schaffen, meint Leilah Babirye in einem der vielen Youtube-Videos über sie im Netz. Wie ehrlich sie ist. Womöglich wollen das die meisten Künstler:innen, aber nur wenige bekennen sich so klar dazu, hat doch das Schöne die Konnotation nur Oberfläche, nur Schein zu sein. Bei der aus Uganda vor einigen Jahren in die USA geflohenen Künstlerin – sie verließ als offen queere Person das Land und kann wegen seiner harten Anti-LGTBTIQ-Gesetzgebung nicht zurück – kriegen aber auch Schein und Oberfläche eine eigene Tiefe. Weil sie Weggeworfenes zum Glänzen bringt, Wertloses zu Wertvollem macht – und damit eine Message transportiert, die über das Materielle hinausgeht.
Man sieht in der zeitgenössischen Kunst immer wieder, dass auch der Müll zu etwas Wertigem gemacht werden kann. Aber das mit der Schönheit, das hat Leilah Babirye besonders gut drauf. Wie sie Fahrradritzel, -ketten und -räder zu Kopfschmuck drapiert, sie extravagant und hoch über das Haupt einer ihrer hölzernen Statuen türmt wie 1785 an einem Pouf der Marie Antoinette. Ohnehin das Haar: Häufig flechtet Babirye es aus alten Radschläuchen zu modulierbaren Zöpfen, die dann schräg und kurios auf ihren Masken, Köpfen und Gesichtern aus Holz, Keramik oder – ganz neu – teurer Bronze sitzen. Das hat etwas Lebendiges, Lebendes, so scheint es.
Ohnehin geht es bei den vielen Figuren ihrer Bildhauerarbeiten und Zeichnungen, die der Galerist Max Hetzler zum jetzigen Gallery Weekend erstmals in einer Einzelschau zeigt, viel um Schein und Sein. Wer sind wir und wer geben wir vor zu sein, fragt die 1985 in Kampala geborene Babirye mit ihren ambivalenten, keinem Geschlecht zuordbaren Gesichtern in der Ausstellung. Die Vorlage für ihre Konterfeis mit offenen Mündern, grafischen Nasen und langen Hälsen findet Babirye in der Kunstgeschichte Afrikas, nicht immer Ugandas, häufig auch Westafikas. Sie präsentieren echte oder erdachte Portraits queerer Menschen aus ihrem Leben. Die können öffentlich nicht immer sein, was sie sind, brauchen den Schein, die Schönheit. Sophie Jung
Leilah Babirye: „Ekimyula Ekijjankunene“ (The Gorgeous Grotesque / Die prächtige Groteske). Galerie Max Hetzler, Eröffnung 1. 5., 18 Uhr an den Standorten Bleibtreustr. 15/16 (bis 4. 6.) + Goethestr. 2/3 (bis 28. 6.), geöffnet je Di.–Sa. 11–18 Uhr
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