kunstprojekt bratling: Schöner neuer Sündenbock
Wenn es um Essen geht, versteht der Hanseat keinen Spaß. Wenn es um Geld geht, noch weniger. Und schon gar nicht, wenn von Kunst im öffentlichen Raum die Rede ist: Brav unpolitisch soll sie sein und nicht beunruhigen.
Kommentarvon PETRA SCHELLEN
Und kosten soll sie möglichst auch nichts. Denn wenn hier der leiseste Verdacht der Verschwendung aufkäme – wo käme man hin mit der Idee vom wohlsituiert-verantwortungsvollen Wohlstandsbürger? Am Ende entwickelte man noch Schuldgefühle angesichts ganz privater Verschwendung, wenn man sähe, was die Künstler da tun: Wenn sie – wie die Gruppe Wuuul auf der im Juni stattfindenden Ostseekunst-Biennale „Artgenda“ – einen Riesenbratling durch die Luft schleudern, der etliche Kilo Grünkern enhält.
Mit 10.000 Euro hat die Kulturbehörde das Projekt unterstützt, wovon exakt 650 Euro für Dinkel ausgegeben werden. Grund für manche, ordentlich zu wettern gegen solche „Steuerverschwendung.“ So hat gestern auch eine Harburger Arbeitslosen-Selbsthilfegruppe bei der Kulturbehörde protestiert – ein völlig irrationales Vorgehen, weil die Initiative, auch wenn die Stadt ab sofort kunstfrei wäre, aus diesem Topf keinen Cent erhielte.
Aber das ist den Stammtisch-Argumentateuren auch egal: Die Manipulation hat prima funktioniert, und ein weiterer Sündenbock für die derzeit desolate Haushaltslage ist gefunden.
bericht SEITE 26
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen