kritisch gesehen: Jan und Benjamin huldigen Udo
Udo Lindenberg feiert erst nächstes Jahr im Mai seinen 80. Geburtstag. In Hamburg haben der Musiker Jan Delay und der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre aber schon mal „vorgeglüht“
Liebe kann hemmungslos sein. Wie beim „Vorglühen“ von Jan Delay und Benjamin von Stuckrad-Barre. Trocken, ohne Alkohol natürlich. Die beiden wollten die Ersten sein mit ihrem Huldigungs-Abend für Udo Lindenberg. Der wird 80 Jahre alt – im kommenden Mai. Vorgefeiert wurde in der Hamburger Laeiszhalle mit Songs und Texten, natürlich von und über Udo Lindenberg. Am kommenden Freitag gibt es eine weitere, längst ausverkaufte Show in der Elbphilharmonie.
Der Musiker Jan Delay, diese „Ballade auf zwei Beinen“ (so Delay über Delay), steht da im kornblumenblauen Anzug mit hellem Hut, das Hemd blumenbunt, als wäre schon Mai. Der Schriftsteller Stuckrad-Barre trägt einen weißen Dreiteiler mit feinsten schwarzen Streifen und schwarzem Hemd, und wirkt umwerfend wie Lindenbergs „Jonny Gigolo“: der junge Udo. Lindenberg, der nicht anwesend ist, hat übrigens mal gesagt, den Udo habe er sich ein bisschen ausgedacht und diese Rolle eben auch zu seinem Leben machen müssen.
Erst mal geht es an diesem Abend um die persönliche „Sentimental Journey“: Früh, mit acht Jahren, seien sie durch Lindenberg-Lieder angefixt und seitdem nie mehr clean geworden, erzählen sie. Seitdem seien sie dem Barden aus „Gronau an der Donau“ verfallen. Jan Delay nennt Lindenberg „seinen großen musikalischen Papa“. Er sei „schon immer der größte Udo-Fan überhaupt gewesen“, weil Lindenberg „als Erster in deutscher Sprache sang“.
Benjamin von Stuckrad-Barre wiederum offenbarte in „Panikherz“ seine Kokainsucht, aber auch, dass Udo Lindenberg sein Lebensretter sei. Stuckrad-Barre und Delay sind Freunde und Freunde Lindenbergs, seien Mitglieder seines Panik-Clans erzählen sie, Kosenamen: Stucki-Man und Janmann. „Wir haben durch Udos Lieder und vor allem durch seine Texte sprechen, schreiben und singen gelernt. Und alles über die Liebe, die Nächte und das Feiern. Kurzum: das Leben“, schreiben sie in der Ankündigung für den Abend.
Stuckrad-Barre trägt Passagen aus seinem Lindenberg-Lexikon „Udo Fröhliche. Von Alkohol bis Zigarre“ (2016) vor, zur „Sprache“ beispielsweise, dann folgt ein Wortgewitter aus Alliterationen und wilden Reimen: „Wenn die Banane gerade wär’, dann wär’ sie keine Banane mehr“ (aus „Bananenrepublik“) oder: „Die Bonnies und Clydes von früher sind nun Herr und Frau Bieder“ (aus „Da war so viel los“). Dann kommen Lindenbergs grandiose Namensschöpfungen – Johnny Controletti, Chubby Checker, Elli Pirelli, Votan Wahnwitz und Rudi Ratlos. Das sei Entenhausen pur, sagt Jan Delay.
Beide verdanken ihrem Inspirator Lindenberg viel. Was wären sie ohne dessen Absage an die Biederkeit, an die Enge im Kopf und die Ermutigung, der deutschen Sprache Rock ’n’ Roll beizubringen?
So unbekümmert vorgesungen und vorgelesen entfalten Lindenbergs Songs ihre eingängig-widerständige Virtuosität, ob sie vom Fernweh handeln oder vom Meer, von Politik oder von der Liebe. Der ganze Saal lacht, als Stuckrad-Barre und Jan Delay den Songtext „Mit dem Sakko nach Monaco“ im Wechsel lesen, so kraftvoll und bilderreich ist dieser Sprachwitz irgendwo zwischen Kalauer und Knittelvers, Agitprop und Regenbogenpresse-Sentimentalität.
Hier verneigen sich zwei Künstler-Freunde vor ihrem Idol und Freund. Das hätte peinlich werden können. Aber der Abend changiert gekonnt zwischen Anhimmelung und Nostalgie. Am Schluss, als Jan Delay „Andrea Doria“ anstimmt und Stuckrad-Barre auf dem Tisch tanzt, singt der ganze Saal mit. Frauke Hamann
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