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kritisch gesehen: „frnkstn“ in hamburgPrometheus im Weltall

Eine Wundertüte, ein Steinbruch: Spätestens mit dem runden Geburtstag, also den Feierlichkeiten zu 200 Jahren seiner Erstveröffentlichung 2016, hat Mary Wollstonecraft Shelleys Roman „Frankenstein“ einen neuerlichen Schwung Aufmerksamkeit erfahren; nicht zuletzt ablesbar an der Zahl von Bearbeitungen, Verarbeitungen, Nachdenken-Über.

Selbst wenn man die Geschichte um wissenschaftliche (Über-)Ambition und die Grenzen des Menschseins nicht als Ausgangspunkt eines ganzen Genres, der Science-Fiction, verorten will: Dass die damals Wollstonecraft Shelley bewegenden Fragen eher dringlicher geworden sind in Zeiten von Atombombe, Gentechnik und Künstlicher Intelligenz, leuchtet ein.

In Hamburg nun nimmt eine freie Theater-Bearbeitung Shelleys „modernen Prometheus“ statt ins Labor oder Rechenzentrum gleich mit in den Weltraum: Regisseur Volker Schmitt bedient sich für „FRNKNSTN“ eines ganzen Bündels gelinde gesagt gut eingeführter Motive der Science-Fiction, und da ganz besonders des Films. Wo der eigentlich von Anfang an eine Art technischer Leistungsschau gewesen ist, versucht diese Inszenierung nun aber nicht mitzuhalten mit tanzenden Raumschiffen oder rasanten Lichtschwert-Gefechten.

Nein, fünf Frauen in Overalls, zeitweise die Gesichter weiß geschminkt, sechs blaue Metallstühle, die im Verlauf des Abends zu allem Möglichen werden: Das ist eigentlich alles, was wir auf der Bühne gezeigt bekommen. Okay, dann hat jede noch so ein kleines Gerät, eine Art handschmeichelnd-nierenförmigen Smartphone-Abkömmlings, mit dem sich Aufzeichnungen machen lassen, aus der Ferne kommunizieren oder auch stillstehende Herzen wieder in Gang setzen.

Nicht dass es nicht auch Aktion gäbe, mitunter sogar verblüffende physical comedy: Die eigentliche Arbeit verrichten, also unvorstellbare Distanzen evozieren, aber vor allem allergrößte Fragen verhandeln, das muss hier der Text. Also spricht stets eine: über Mutterschaft, Bildung, Autonomie, Leben, Tod – und: Darf der Mensch sich eines ganzen Planeten entledigen, mittels thermo­nuklearen Sprengstoffs, weil ihm seine selbst erschaffene Population über den Kopf wächst? Das nämlich ist die Mission, auf der sich das Schiff befindet – und die, natürlich, nicht planmäßig verläuft.

Neben Shelleys Roman fließen auch deren Tagebücher mit ein, dazu werden Psychoanalyse und Philosophie gesampelt, Wissenschaft und, ja, auch mal Science-Fiction. Heraus kommt ein mitunter sprödes, vielleicht auch noch etwas zu wenig aufs Wesentliche konzentriertes – mithin: gekürztes – Stück Theorietheater, das enorm viel will und sich dabei auch mal verläuft. Aber halt auch vieles zu bieten hat: einen Steinbruch, eine Wundertüte voller Weiterdenkanstöße. Alexander Diehl

FRNKSTN, Schauspiel nach Mary Wollstonecraft Shelley, Sprechwerk Hamburg. Wieder am 20. und 21. 1., jeweils 20 Uhr

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