kritisch gesehen: ein neues buch der bremer autorin heidemarie voigt: Krieg ist ganz was schlimmes
Oh man, schon dieser Titel: „Krieg?“ heißt Heidemarie Voigts Buch, mit einem ersten Fragezeichen. Und: „Oder Heimkehr in die innere Heimat?“, mit noch einem. Das klingt nicht nur sprachlich holprig. Es wirkt auch, als wisse die Autorin nicht, was sie sagen will, außer, dass es viel ist. Und in ein Buch gehört. Das stellt sie am Dienstag mit einer Lesung in Bremen vor.
So unterstreicht sie noch die von der Neuerscheinung aufgeworfene Frage, ob die radikalliberale Programmpolitik des Kellner Verlags zu loben ist: Die scheint nämlich noch jedes von anderen wegen Qualitätsmängeln abgelehnte Typoskript gebunden und gedruckt in die Realität treten zu lassen, sofern es mit dem Verlagsort Bremen zu tun hat. Hätten Editionshäuser nicht die Aufgabe, auch mal Nein zu sagen? Aber warum? Und mit welcher Begründung?
Erwachsene Autor*innen wie die 1942 in Dresden geborene Voigt vor sich selbst zu schützen zu wollen, wäre ja Entmündigung pur. Und für literarische und selbst für denkerische Qualität gibt’s nun mal keine objektiven Maßstäbe: Auch, wo munter an der Bedeutung des lexikalischen Materials vorbeiformuliert wird, muss nicht immer ein Fehler vorliegen. So heißt es bei Voigt: „Wissenschaft hat den Anspruch, objektiv zu sein, und hat dafür die Beweislast zu erbringen.“ Klar, das klingt nach Quatsch. Denn erbringen lassen sich Beweise, und gefordert werden sie von denen, die eine Beweislast schultern. Aber eine Beweislast zu erbringen, noch dazu für einen Anspruch, na, auf die Idee ist noch niemand gekommen. Insofern ist der Satz originell. Es könnte sich um eine nonsenspoetische Intervention in die eigene Prosa handeln, die deren Floskelhaftigkeit aufdeckt und zerstört. Eine raffinierte, ja meisterhafte Textstrategie also. Die würde erklären, warum sich solche Lapsus und schiefen Konstruktionen massenhaft in dem, in vier große und etliche Mini-Abschnitte unterteilten, mit Zeichnungen garnierten Sammelsurium-Buch finden.
Doch dafür müsste auch die platte Botschaft des Opus ironisch gelesen werden, dass Krieg nun mal etwas Schlimmes ist. Und das geht nicht: Die ungelenken Verse und die betroffenheitsheischenden Shortstorys sind ernst gemeint, auch wenn sich die besseren von ihnen lesen wie Vorübungen auf dem leider nicht zu Ende beschrittenen Weg zu einer gelungenen „Gruppe 47“-Parodie.
Zwischendurch soll offenkundig über Sprache nachgedacht werden. Doch über ein bloßes Raunen kommt Voigt dabei nie hinaus. Nur ab und an erhellen wie Gedankenblitze Textauszüge und Spruchweisheiten von Alexander Kluge, Christa Wolf, Alice Miller und wem auch immer den Gedankennebel. Sie sind, oft auch mit vernünftigem Quellennachweis, klar die besten Momente des Werks. Benno SchirrmeisterBuchHeidemarie Voigt, „Krieg? Oder Heimkehr in die innere Heimat?“, Bremen Kellner-Verlag, 160 S., 20 Euro
Lesung Di, 27 .8., 19.30 Uhr, Gemeindezentrum Zion, Bremen
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