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kommentarMilitärisch ist der Antiterrorkampf nicht zu gewinnen – alle wissen es, keiner sagt es

Es wird nicht der letzte Anschlag gewesen sein. Staaten können keine Unverwundbarkeit garantieren. Das konnten sie nie, und in einer entstaatlichten Welt können sie es erst recht nicht mehr. Wer dies sagt, gilt als Zyniker, als entscheidungsscheuer Intellektueller, der sich zurücklehnt, während das Böse die Welt zerstört. Und wenn es wieder einmal einen tödlichen Anschlag gibt, wie jetzt auf israelische Touristen in Kenia, dann wird dies nur Ansporn sein, den eingeschlagenen Weg erst recht fortzuführen. Der Kampf gegen den Terror, so wird es immer wieder heißen, ist halt nicht eine Sache von Wochen oder Monaten, sondern von Jahren oder Jahrzehnten.

 Nicht nur der Präsident Bush, auch die deutsche Bundesregierung zieht sich zunehmend in eine erträumte Parallelwelt zurück. Eine Welt, in der die Regierungen ihren Bürgern den Traum vom staatlichen Schutz gegen Gewalt garantieren. Ein irrealer Traum und eine rückblickende Idealisierung zudem, denn auch die atomar gerüstete Ost-West-Konfrontation war nicht gerade die sicherste aller denkbaren Welten.

 Doch noch hält sich das Bild der Macher und Beschützer. Jeder neue Anschlag wird auch künftig als Beleg dafür herhalten müssen, dass der Krieg noch härter zu führen sei. Wenn US Special Forces und deutsche KSK-Truppen nicht in der Lage sind, in Afghanistan das vermeintliche Zentrum des Bösen zu zerstören, dann muss der Auftrag halt auf Südostasien und die arabische Halbinsel ausgeweitet werden. Und wenn die am Horn von Afrika kreisende Bundesmarine keine Anschläge auf Touristenorte in Kenia oder Tunesien verhindern kann, dann müssen die Truppen eben Krieg auf dem Festland führen.

 Selten wurde der Anachronismus militärischer Denkweisen im Antiterrorkampf so deutlich wie in dieser Woche: Das zeitliche Zusammentreffen des gestrigen Anschlags und der deutschen Entscheidung über die Waffenlieferungen nach Israel ist zufällig. Doch wie absurd klingt angesichts der Toten von Mombasa die Debatte über den angeblichen Schutz, den Raketenabwehrwaffen oder Panzer israelischen Bürgern garantieren sollen. Im richtigen Leben sind die Staatsbürger der militärisch mächtigsten Staaten den Mordanschlägen von lose vernetzten Gewaltunternehmern ausgesetzt, und in der irrealen Welt militärischer Planer darf weiter von der schützenden Hülle der Staatenwelt geträumt werden. ERIC CHAUVISTRÉ

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