koalitionsverhandlung: Schulden für die Zukunft
Je näher das Ende der Koalitionsverhandlungen rückt, desto deutlicher sieht Finanzminister Hans Eichel, dass er sein Sparziel nicht einhalten kann. Zu groß ist die Wunschliste von SPD und Grünen – und, nicht zu vergessen, auch der Wähler und Steuerzahler –, als dass sich der Weg zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt auch nur einigermaßen einhalten ließe. In der Politikersprache heißt es jetzt zwar wolkig: „Es müssen keine straffen Konsolidierungsziele eingehalten werden.“ Aber klar ist: Schulden müssen gemacht werden.
Kommentarvon REINER METZGER
Dass Eichel endlich sein übertriebenes Sparen aufgeben muss, ist lange überfällig. Natürlich ist blindes Schuldenmachen keine Lösung und eine Hypothek für kommende Generationen. Aber ein Bundeshaushalt kann auch nicht nach den gleichen simplen Regeln verwaltet werden wie das Girokonto einer Familie. Wann sollen denn endlich Programme für mehr Kindergartenplätze anlaufen, wann soll die Ausstattung der Schulen mit modernen Lehrmitteln oder zeitgemäß ausgebildeten Lehrern und Betreuern beginnen? Wann soll die Infrastruktur in den neuen Bundesländern und anderswo auf dem viel gepriesenen Weltspitzenstandard sein? Wenn die neu gewählte Regierung wartet, bis der Haushalt bei der derzeitigen Wirtschaftslage ausgeglichen ist, steht sie bei der nächsten Wahl wieder mit leeren Händen da.
Nun heißt das nicht, dass Finanzminister Eichel angesichts der Krise Konjunkturprogramme verkünden soll, um Wirtschaft und Konsumenten wieder mehr Zuversicht zu geben. Wenn nicht einer in der Regierung die Kasse zumindest offiziell geschlossen hält, wird das Geld erfahrungsgemäß mit vollen Händen ausgegeben, ohne die durchaus vorhandenen Sparpotenziale auszuschöpfen. Schließlich ist jeder für das Streichen von Subventionen, für das Kürzen von Staatsausgaben – wenn es nur nicht ihn oder seine Verwandtschaft trifft. Aber Eichel und auch einige Grüne drohten über das Sparziel hinauszuschießen. Dabei muss der kleine, zusätzlich gewonnene Spielraum jetzt für die richtigen Maßnahmen verwendet werden.
Das Feilschen darüber wird allerdings noch wesentlich länger andauern als die Koalitionsverhandlungen. Denn angesichts der bescheidenen Aussichten für die Weltwirtschaft geht das Finanzministerium von viel zu optimistischen Zahlen aus. Das Defizit der öffentlichen Kassen wird weitaus größer werden als derzeit zugegeben. Da wird noch öfter ein Anpassen der „Konsolidierungsziele“ nötig sein.
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