koalitionsgespräche: SPD – die Partei, die stets verneint
SPD und Grüne ringen um einen Koalitionsvertrag, und das Publikum wartet gespannt. Die konkreten Ergebnisse interessieren natürlich auch, aber eher weniger. Vor allem bewegt eine sportliche Frage: Wer verlässt das Match als Sieger – Rot oder Grün? Wie viel bleibt etwa von der Ökosteuer übrig, die die Grünen so vehement fordern?
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Doch eigentlich steht die Antwort schon fest. Was immer die Koalitionsverhandlungen ergeben, der Verlierer heißt SPD. Denn sie ist schon jetzt in der Defensive. Ihr fehlt die Vision, das Konzept. Die Sozialdemokraten wissen immer nur, was sie nicht wollen. Sie sind die Partei, die stets verneint.
So will die SPD die Ökosteuer nicht anheben, die Kohlesubventionen nicht kürzen, die Wehrpflicht nicht abschaffen, die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nicht reformieren. Die SPD hat sich offenbar darauf verlegt, sich an den grünen Vorschlägen abzuarbeiten. 251 Bundestagsabgeordnete hat die SPD. Da dürfte man mehr Fantasie erwarten.
Denn was die SPD selbst wollen könnte, bleibt nebulös. Beim Publikum kommt die Botschaft an: weiter so. Die Vergangenheit ist die Zukunft. Die Sozialdemokraten wirken, als könnten sie Neues nur denken, wenn sie von Haushaltslöchern dazu gezwungen werden: Die SPD präsentiert sich als die Hüterin der Defizite. Krankenkassen, Rentenversicherungen, Arbeitsmarkt, Finanzen – überall ist nur Ärger zu erwarten, und immer sind Minister mit SPD-Parteibuch dafür zuständig, die unbeliebten Reformen durchzusetzen. Keine schöne Rolle, stets nur das Schlimmste zu verhindern.
Die Grünen hingegen preschen voran. Egal, wie viel oder wie wenig sich von der Ökosteuer durchsetzen lässt: Die Grünen haben ihr Profil geschärft. Sie werden als die moderne und liberale Partei dastehen, die leider, leider an der vergangenheitsseligen Tante SPD gescheitert ist.
Allerdings tünchen die Sozialdemokraten schon eifrig. Auch wenn nicht viel Modernes enthalten sein wird im rot-grünen Regierungsvertrag, so soll doch „Zukunft“ wenigstens drauf stehen. Gestern prägte Bundeskanzler Schröder ein Wort, das wir sicher noch oft hören werden: „Erneuerungskoalition“ heißt die Regierung der nächsten vier Jahre.
Nicht gemeint, aber dennoch offensichtlich: Auch die SPD muss sich in dieser Koalition erneuern. Am besten beginnt sie damit gleich am nächsten Montag und sagt in den rot-grünen Verhandlungen nicht: nicht.
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