kikkerballen: Die Daheimgebliebenen schmieden raffinierte Pläne
Vorwärts zur Kelten-EM
Wenn ein Spiel nur 90 Minuten dauern würde, wie Sepp Herberger irrtümlich angenommen hat, wären die Iren bei der Europameisterschaft dabei. Zweimal in der Qualifikation, gegen Kroatien und gegen Makedonien, kassierten sie ein Tor in der 95. Minute, Sekunden vor Ende der Nachspielzeit. Andernfalls wären sie statt Jugoslawien Gruppensieger geworden. So schaut die Nation nur mit halbem Auge nach Belgien und den Niederlanden.
Außer wenn England spielt. Am Dienstag abend erschallte der längst zum Volkslied avancierte Song „Sitting in an Irish Bar watching England losing“ aus hunderten irischen Pubs, nachdem die Rumänen das englische Team und vor allem die ungehobelten Fans auf die Heimreise schickten. Deren schlechtes Benehmen sei dem Alkohol geschuldet, meinten die englischen Medien, als ob es normal wäre, nach ein paar Bierchen dem nächstbesten Ausländer einen Gartentisch über den Scheitel zu ziehen. In Wirklichkeit war die Randale von Neonazi-Organisationen wie „Combat 18“ vorher geplant, das wusste auch die Polizei.
Beim nächsten Mal wollen die irischen Fans, die im Gastland die Kneipen im Stadionumkreis von drei Meilen wie Schwämme leersaugen, wieder dabei sein. Damit die lästigen Qualifikationsspiele mit der unerquicklichen Nachspielzeit ein Ende haben, plant der irische Fußballverband eine keltische Europameisterschaft: Wenn Belgien und die Niederlande das Turnier gemeinsam ausrichten, können das die Iren, Nordiren, Schotten und Waliser allemal. Eine gute Idee, wenn man den europäischen Verband davon überzeugen kann, dass die Gastgeber automatisch qualifiziert sind.
Schon 2008 soll es soweit sein. Die Schotten sind begeistert von dem Plan. Sie wollten am liebsten gleich die Weltmeisterschaft ausrichten, doch dann fragte jemand nach den Bedingungen des Weltfußballverbands. Jeder Veranstaltungsort, so stellte sich heraus, muss über mindestens 4.000 Betten in Fünfsternehotels verfügen. „Damit war die Kelten-WM ins Fantasieland verbannt“, sagte der Fußballchef der Schotten, David Taylor.
Aber nicht die Europameisterschaft, denn Europäer schlafen auch weniger luxuriös – unter Brücken, eingewickelt in vollgekotzte Zeitungen, wie englische Hooligans zum Beispiel. Und die Stadien? Davon hat Schottland ein paar: den Hampden Park, wo in zwei Jahren das Finale der Champions League stattfindet; den Ibrox Park, das Stadion der Rangers; und den Celtic Park vom Lokalrivalen Celtic. Alle drei Stadien liegen in Glasgow. Für eine Weltmeisterschaft wären dann wohl 12.000 Fünfsternebetten erforderlich.
Die Waliser bekommen in Cardiff ihr Millennium-Stadion, das offenbar tausend Jahre halten soll. Und in Irland baut der Verband ein nagelneues Stadion für 200 Millionen Mark. Vielleicht gibt es sogar ein zweites neues Stadion, weil sich der Verband mit der Regierung nicht auf eine multifunktionale Arena einigen konnte und die Politiker nun über ein Nationalstadion nachdenken. Und die Nordiren? Sie haben Windsor Park, den wohl unwirtlichsten Ort der Grünen Insel, wenn man Katholik ist. Dort, inmitten eines loyalistischen Viertels, trägt der FC Linfield seine Heimspiele aus, und Gastmannschaften haben nichts zu lachen. Einmal haben die Zuschauer sogar den gegnerischen Mittelstürmer auf die Tribüne gezogen und ihm das Bein gebrochen. Aber nun gibt es ja einen Friedensprozess, und so geht vielleicht nur der Mannschaftsbus in Flammen auf.
Der Plan einer Kelten-EM wird Schule machen. Die Skandinavier könnten eine Wikinger-EM ausrichten. Eine Balkan- oder Mittelmeerländer-EM wäre auch nicht abwegig. Oder gleich eine EU- EM? Dann wäre immerhin noch ein Platz an ein Nicht-Mitgliedsland zu vergeben. Man könnte es natürlich auch auf die Länder der Währungsunion beschränken, aber dann wären die Engländer sauer. Oder der europhile Außenminister Robin Cook ruft geschwind ein Referendum aus und bugsiert Britannien in den Euro. RALF SOTSCHECK
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