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Archiv-Artikel

karnevalssplitter Der plötzliche Ruhm von Huong

Es ist ein unverhoffter Ruhm, der die zehnjährige Huong übers Wochenende ereilt hat. Als sie mit ihren Eltern im Marzahner Asiamarkt einkauft, lässt der vietnamesische Ladeninhaber alle anderen Kunden stehen, greift sich eine Tüte Bonbons und eine Hand voll Lutscher: „Wir Vietnamesen sind stolz auf euch Tänzerinnen“, beteuert er unter herzlichen Glückwünschen.

Das gerade einmal 1,30 Meter kleine Mädchen weiß nicht, was ihr geschieht. Erst von dem eifrigen Geschäftsmann erfährt Huong, dass ihre Tanzgruppe, die Xinh-Company aus Prenzlauer Berg, am Sonntag auf dem Karneval der Kulturen einen Preis gewonnen hatte – gemeinsam mit dem Juxirkus aus Schöneberg wurden die vietnamesischen Mädchen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren in der Kategorie Kinder- und Jugendgruppe auf den ersten Platz gesetzt.

Die „zart aufgelegte Gruppe“ sei eine „kleine Perle im großen lauten Karnevalsfest“, befanden die Juroren im karnevalesken Metaphernrausch. Die Mädchen zeigten, so die Jury weiter, ihren vietnamesischen kulturellen Hintergrund und gleichzeitig ihr Hiersein in Berlin in einer sehr eigenständigen tänzerischen Interpretation.

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir gewonnen haben“, sagt die überraschte Gewinnerin Huong in akzentfreien Deutsch. „Es waren doch so viele Gruppen dort.“ Die Tänzerinnen, die sowohl traditionelle vietnamesische als auch moderne Pop-Tänze zeigten, hatten zum ersten Mal bei dem Multikulti-Fest der Superlative mitgemacht. Denn eigentlich ist der Karneval in der vietnamesischen Gemeinde wenig verankert. Doch das, so hoffen jetzt einige, könnte sich nach der überraschenden Nominierung der Jury im nächsten Jahr ändern.

Immer samstags und sonntags trainieren die Schülerinnen im Club „Asiaticus“ in Prenzlauer Berg, einem Treff für asiatische Frauen und Mädchen – und werden von der familiären Anhängerschaft euphorisch unterstützt: „Wir sind den ganzen Sonntag hinter dem Festwagen hergelaufen“, sagt die Mutter stolz und wenig erschöpft. Und dann: „Es kostet Mühe, Huong immer zum Tanztraining zu bringen.“

Dafür weiß sie die Tochter versorgt, wie die meisten Vietnamesen arbeiten Huongs Eltern auch am Wochenende. Im Asiamarkt kommen mehr und mehr Geschäftsleute, um dem Mädchen zu gratulieren. Huong steht nach wie vor etwas hilflos da und hält ihre Süßigkeiten fest. Für ein vietnamesisches Kind ist es ungewohnt, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. In der konfuzianistisch strukturierten Gesellschaft sind es die Alten, die man verehrt, nicht die Kinder.

Vietnamesen arbeiten viel und nehmen sich selten Zeit, Tanzdarbietungen anzuschauen – bisher hatte die Xinh-Company kaum öffentliche Auftritte. Das könnte sich ändern. Eine buntere Werbung gibt es kaum. MARINA MAI