kampf gegen rechts: Lautes Schweigen
Um es zynisch zu formulieren: Es bestehen gute Chancen, dass die diesjährigen Hauptdarsteller des Sommertheaters die Homosexuellen und Rechtsradikalen sind. Während Angela Merkel über eine neue CDU-Kampagne gegen die „Homo-Ehe“ nachdenkt, kämpft Rot-Grün seit diesem Wochenende wortgewaltig gegen rechts. Drohende Zitate gibt es bereits von Joschka Fischer, Otto Schily, Herta Däubler-Gmelin, Renate Künast, Peter Struck sowie von Werner Hoyer (FDP) und Heinz Fromm (Verfassungsschutz). Alle vereint im „Kampf gegen den Fremdenhass“.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Diese deutliche Ausgrenzung des Rechtsradikalismus war überfällig – und ist sogar erlösend. Jedenfalls spontan. Danach bleibt ein ganz ungutes Gefühl zurück. Denn es ist bitter, dass in den Zeiten der „Konsensdemokratie“ ausgerechnet hier kein Konsens gelingt: Es fehlt die klare Position der CDU.
Nur deshalb kann auch das rot-grüne Kalkül aufgehen: den Kampf gegen Rechtsradikalismus zu benutzen, um sich wieder als Parteien mit Programm zu profilieren. Als attraktive Wahloptionen, die nicht komplett im Alltagsallerlei der Regierung verschwinden. So wird das eine Thema, das die Deutschen einen sollte, zur Waffe im Stellungskrieg der Parteien.
Genauso bitter ist allerdings: dass das Signal diesmal „von oben“ kommt. Dass die rot-grüne Regierung ihre schweigende Bevölkerung auffordern muss, nicht mehr zu schweigen. Bisher umsonst. Bisher können nur aggressive Kampfhunde empören, aber nicht mordende Skins.
Wie anders war es Anfang der 90er-Jahre. Damals demonstrierten Hundertausende gegen die Anschläge in Solingen, Mölln und Rostock. Dafür schwieg die Kohl-Regierung, die vorher anhaltend über den „Asylmissbrauch“ schwadroniert hatte (ganz vorneweg der später als Kohl-Opfer so geschätzte Wolfgang Schäuble). Die Rechtsradikalen betrachteten sich als ermuntert und legitimiert.
So wie heute. Das ist die einzige mächtige Konstante: Irgend jemand wird die Rechtsradikalen immer durch Duldung ermuntern. Mal ist es die Regierung, mal die Opposition, meistens ist es die schweigende Mehrheit – auf jeden Fall sind es immer sehr viele Deutsche.
Deswegen geht auch der Vergleich mit den Linksterroristen so in die Irre, der jetzt gelegentlich angestellt wird: Das waren ein paar Individuen mit wenig Rückhalt. Da reichte ein Generalbundesanwalt. Heute hingegen müsste man leider ein Volk austauschen.
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