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kabolzschüsseAuf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Goalball

Die Brille muss sein. Es soll schließlich nicht zugehen wie bei „Wetten dass?“, wo ein abgezockter Kandidat Buntstifte angeblich am Geschmack unterschied, jedoch nur frech durch den Blickschutz lugte. Also wird das Auge mit einem Tape verklebt. Zu Schulzeiten trug das manch einer, damit sein auf Ausflügen befindliches Auge wieder in die Achse schnippte. Über das Pflaster streift der Goalballer eine Skibrille, mit der endgültig finstre Nacht vor den Blick zieht. Jeder hat die gleichen Chancen: Beim Goalball sieht man nichts.

Früher gab es eine Ausstellung, die Blindheit simulierte. In einer Messehalle hatten die Veranstalter einen Parcours für Sehende gebaut. Das Licht blieb freilich aus. Absolute Finsternis herrschte. Es gab Hindernisse zu überwinden, Gerüche zu schnuppern, Geräusche zu hören und nach dem abschließenden Restaurantbesuch musste der Besucher passend zahlen. Der nette Kassierer gab zu hohe Beträge stets artig zurück. Er hätte das Geschäft seines Lebens machen können. In dieser Halle wurde der Sehende zum hilflosen Geschöpf, das sich an den Rock der Vorderfrau klammerte und nur hoffte, schnell der dunklen Hölle zu entkommen.

Nun kommt beim Goalball verschärfend hinzu, dass den Spielern nicht nur der Blick verwehrt ist, es zischen auch gefährliche Geschosse übers Spielfeld. Diese zwingen die Beteiligten, Schutzmaßnahmen zu ergreifen; die Spieler schnallen sich gelenkschonendes Beiwerk um. Vorsichtige tragen auch eine Kappe, damit der Aufprall des immerhin 1,25 Kilogramm schweren Balls nicht zum Knockout wird.

Doch das Unheil kündigt sich an: Es klingelt. Im Ball befindet sich eine Rassel, die immer dann rasselt, wenn der Ball geprellt oder gerollt wird. Stürme der Begeisterung sind vom Publikum deshalb tunlichst zu unterlassen, die Goalballer würden das Klingeln nicht mehr hören. Rollt der Ball aber ins Gehäuse, sollte der eine oder andere Fan schon mal jubeln. Das erhöht die Informationsdichte der Spieler nämlich entscheidend.

Das Tor eines Teams ist recht breit. Obgleich nur 1,50 Meter hoch, erstreckt es sich über das gesamte Hinterfeld. Kullert der Fußball zum Eckball ins Aus, jubelt der Goalballer über einen Treffer. Die drei Spieler einer Mannschaft dürfen die Mittellinie nicht überschreiten. Zweimal sieben Minuten wird gegoalballt. Der deutsche Meister kommt von der Blindenschule einer Kleinstadt im südöstlichen Teil des Speckgürtels: Königs Wusterhausen.

Kürzlich fanden die Titelkämpfe in München statt. Steffen Lehmann, der auch im Nationalteam steht, das bei den Paralympics in Sydney Siebter wurde, erzählt, sie hätten sich in Königs Wusterhausen gegenseitig hochgeschaukelt und somit Goalball an die Spitze geführt. Die Konkurrenz kommt aus Marburg und München. International sind die Mannschaften aus Dänemark, Schweden und Spanien stark.

Steffen Lehmanns Sehvermögen verschlechtert sich ständig. Er leidet an „Stäbchen-Zapfen-Dystrophie“. Lehmann: „Ich kann nur noch etwas helldunkel sehen.“ Er sieht aus wie ein Sportstudent, geht ins Fitnessstudio und fährt auf dem Fahrradergometer. Trainiert wird zweimal in der Woche. Goalball sei „sehr dynamisch und absolut physisch“.

Torball lehnt Lehmann ab. Das wird mit einem kleineren Ball gespielt, der, bevor er die Spieler erreicht, nicht aufsetzen muss. „Das ist was für lasche Naturen“, sagt Lehmann und erläutert taktische Tricks. Lehmann und seine Kollegen verstehen sich aufs „Spielzerstören“, werfen den Ball um die Kurve oder tragen ihn geräuschlos auf die andere Seite. „Wir tricksen nur rum.“

MARKUS VÖLKER

Auf der Außenseiterskala von null bis zwölf: 10 Punkte

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