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■ intershopDeutsche Behörden Von Marja Verburg

Letzte Woche wurde ich dann doch leicht panisch. Bald bekomme ich kein Stipendium mehr aus den Niederlanden, also muss ich einen Job in Berlin finden, um mein Studium weiter finanzieren zu können. Andere Studenten erklärten mir, dass ich dafür zuerst eine Steuerkarte benötige. Ein Freund erzählte mir: „Um die zu bekommen, musst du erst eine Aufenthaltsgenehmigung haben.“ – „Eine Aufenthaltsgenehmigung?“, fragte ich erschrocken. Ich kann mich noch gut erinnern, wie viel Stress mir die Behörden vor drei Jahren bereitet haben.

Als ich in der Anmeldebehörde in Wedding an der Reihe war, fragte mich die Sachbearbeiterin, noch bevor ich mich hinsetzen konnte, warum ich die Frage nicht beantwortet hatte, ab wann ich in Berlin wohnen würde. Sie war nicht gut gelaunt. Ich nahm mir vor, nett zu sein. „Ich werde hier ab dem ersten April studieren.“ Sie unterbrach mich. „Dann müssen Sie am ersten April wieder zurückkommen.“ – „Nein, ich wohne jetzt schon hier, aber die Uni?“ – „Wenn Sie hier erst ab dem ersten April wohnen, kann ich jetzt noch nichts für Sie tun.“ – „Aber ich wohne schon jetzt hier!“ – „Nein, das geht nicht, du hast gesagt am ersten April, al-so lügst du.“

Das sagte sie wirklich! Auf einmal duzte sie mich. Fassungslos stand ich auf und wollte weggehen, aber dann wurde ich wütend und drehte mich wieder um. „Ich wohne hier um die Ecke, Sie können mitkommen und mein Zimmer anschauen. Die Uni fängt am ersten April an, ich wusste nicht, was ich ausfüllen musste. Wenn Sie mir nicht helfen wollen, will ich Ihren Chef sprechen.“

Ich staunte über mich selbst. Aber es half: Ich durfte mich wieder hinsetzen. Sie blätterte noch ein wenig in meinem Pass, dann bekam ich die Stempel, die ich brauchte.

Nach vielen anderen Behördengängen konnte ich mich schließlich beim Ausländeramt melden für die Aufenthaltsgenehmigung. Auch da wartete ich zwei Stunden. Dann stand ich noch drei Stunden an der Humboldt-Universität Schlange. Ein einziger Raum war für ausländische Studenten geöffnet, und vor der Tür standen ungefähr hundert Studenten aus aller Welt. Vor den vier Türen für die deutschen Studenten stand niemand. Ich fühlte mich wie bei der „Versteckten Kamera“.

Diese Erinnerungen im Hinterkopf, hatte ich keine Lust, mich jetzt wieder mit den Behörden auseinanderzusetzen wegen einer Steuerkarte. Adrenalingeladen meldete ich mich bei der Meldestelle Prenzlauer Berg. Überraschenderweise lief alles total einfach. Also weiter zum Finanzamt für die Steuerkarte! Nach zehn Minuten wurde ich vorgelassen. Die Leute, die vor mir hineingingen, kamen lachend wieder heraus. Ausführlich erklärte ich der netten Frau im Finanzamt meine Situation, und sie unterbrach mich nicht. „Ja, Sie können natürlich eine Steuerkarte bekommen. Nur nicht von mir. Sie müssen sich beim Bezirksamt melden. Die haben noch eine halbe Stunde auf, aber sie haben als Holländerin bestimmt ein Hollandrad, also schaffen Sie das.“ Auch ich verließ lachend ihr Zimmer. Beim Bezirksamt war ich gleich dran. „Was muss ich Ihnen zeigen, damit ich eine Steuerkarte bekomme?“, fragte ich. „Ihren Pass.“ Meinen Pass. Das war alles. Jubelnd fuhr ich nach Hause, die Steuerkarte in meiner Hand. Es lebe Europa! Es lebe die deutsche Behörde!

Jetzt suche ich nur noch einen Job.

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