piwik no script img

in fußballlandCHRISTOPH BIERMANN übers Kicken bei Bursaspor

Spanes Flucht vor den Kugeln

„Dies ist die Mobilbox von . . .“, beginnt die maschinisierte Frauenstimme ihre Einleitung, worauf der Besitzer des Handys schwungvoll vollendet: „. . . Spanne“. Wobei man eigentlich „Spane“ schreiben müsste, wie in „Spane’s Showroom“. Denn so heißt das Herrenoberbekleidungsgeschäft des ehemaligen Düsseldorfer, Schalker, Freiburger und Stuttgarter Fußballprofis Martin Spanring. Spane ruft übrigens zurück, wenn man ihm keine Nachricht hinterlassen hat, schließlich gibt es die Anzeige „Entgangene Anrufe“: „Und ich bin eben neugierig.“

„Worüber wollten wir noch mal reden?“, will er bester Dinge wissen. Ach richtig, darüber, wie das in der Türkei eigentlich war. Alles darüber will Spane aber nicht erzählen: „Ich hab keine Lust, dass einer kommt und mir eine Kugel ins Knie jagt.“ Was nicht so dahergeredet ist, denn er meint seine real existierende Knie und echte Pistolen mit echten Kugeln drin. Eine echte Wildostgeschichte ist das nämlich, die anfing, als Martin Spanring im August letzten Jahres vom VfB Stuttgart zu Bursaspor in die Türkei wechselte.

Jörg Berger war dort Trainer geworden und verpflichtete aus Deutschland auch noch den Torhüter Marc Ziegler. Doch lange ging das nicht gut, denn den großen Sprung nach vorne schaffte der Provinzklub mit seinen Deutschen nicht. Mitte Oktober wurde Berger entlassen, und nach dem Abgang ihres Trainers hatten die beiden deutschen Profis nichts mehr zu lachen. „Uns wurde ganz klar deutlich gemacht, dass wir hier nicht zu spielen haben“, sagt Spane. Der Vereinspräsident bestellte sie in sein Büro und erklärte ihnen, dass sie nun besser verschwinden würden – wenn sie Ehrenmänner wären. Das letzte Gehalt hatte er schon nicht mehr komplett überwiesen, und vom Rest der Zweijahresverträge wollte er schon gar nichts wissen.

Die beiden Ehrlosen fanden das nicht akzeptabel. Um ihnen jedoch zu helfen, sich mit dem Konzept des Klubs schneller abzufinden, wurden sie erst einmal vom Mannschaftstraining suspendiert und drehten allein ihre Runden – mit einem Mitarbeiter der Geschäftsstelle. Wie zufällig entwickelte sich dann auf der Straße eine Verfolgungsjagd mit einem schwarzen Wagen, worauf Spane auf eigene Kosten zwei Leibwächter bestellte. Inzwischen zog Ziegler zu ihm, seiner Frau und seinem Sohn, weil Fans vor seinem Haus randaliert hatten und der Torhüter sich dort nicht mehr sicher fühlte.

Anfang Dezember fuhren die beiden Profis mit ihren Beschützern vom Training nach Hause, als ein Wagen die Straße versperrte. Die Bodyguards sprangen heraus und gleich wieder zurück, denn einer der Angreifer hatte eine Pistole gezogen. Am nächsten Tag brachten die Bodyguards Spanes hochschwangere Frau und seinen Sohn zum Flughafen. Spanring und Ziegler waren derweil bei der Polizei, wo man ihnen jedoch nicht recht weiterhelfen konnte. Dass es daran gelegen haben mag, dass der Vereinspräsident von Bursaspor als Bürgermeister der Stadt auch Polizeichef ist, dürfte nur eine Vermutung sein. Gesichert ist hingegen, dass die beiden Spieler sich ins Auto setzten, ihre Wohnungen und Besitzstände zurückließen und nach Deutschland flohen.

Inzwischen kümmert sich der Weltfußballverband Fifa um die Sache. Es wird aber noch etwas dauern, bis Spane und sein Kollege ihr Geld bekommen. Wenn überhaupt. Eine Freigabe von Bursaspor für einen anderen Klub gab es auch nicht, dafür hätten sie auf alle Ansprüche verzichten müssen. Damit waren alle Fristen fürs Kicken in dieser Saison abgelaufen. Tja, und zuletzt hat ihn nicht einmal mehr Spanes Anwalt zurückgerufen.

Man sollte, bevor jetzt die ersten Tränen des Mitgefühls fließen, noch sagen, dass Martin Spanring stets heiter durchs Leben geht. Diese Leichtigkeit hat ihm bei der Ausübung seines Berufes zwar nicht immer nur Freunde eingebracht, dafür hilft sie ihm nun umso mehr. Außerdem ist er sowieso „superglücklich“, weil das Kind inzwischen gesund zur Welt gekommen ist.

„Und durch die Geschichte habe ich mein sonniges Gemüt natürlich nicht verloren“, sagt er, „ist doch logisch.“ Jetzt muss er aber mal los. Na dann, mach’s mal gut, Spane.

Autorenhinweis:Christoph Biermann, 40, liebt Fußball und schreibt darüber

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen