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in den kundigen händen von frau g.

von SUSANNE FISCHER

In den vergangenen Monaten war ich zwangsweise aus der bewohnten Welt abgetaucht, und so sah ich auch aus. Die Haare voller Tapetenreste, die Haut mit Farbklecksen verschönert, die ganze Person mit Kleister balsamiert. Mir war klar, dass man so nicht herumlaufen darf, wenn man am modernen Leben teilnehmen will, also säuberte ich mich mit dem Hochdruckreiniger und ging zum Friseur. „Es gibt da ein Problem“, sagte der Friseur. Das ist ein Satz, den ich inzwischen von Handwerkern gewohnt bin zu hören. Er verteuert oder verkompliziert sehr einfache Dinge, und meistens tut er beides.

„Es gibt da ein Problem. Frau G. arbeitet jetzt in unserer Dependance.“ Das letzte Wort hauchte er auf den Mattglastresen wie ein Geschenk. Ich sah das Problem nicht, denn auf der Suche nach Frau G. musste ich bloß einmal um die Ecke gehen. „Wir haben sechs Läden!“, rief mir der Meister noch stolz hinterher, mitten aus der chromglänzenden wirklichen Welt seines Year-2K-Frisiersalons.

In der Seitenstraße geriet ich in einen düsteren Tunnel aus groß geblümten Tapeten, Holzimitat und metallischem Rankwerk sinnlos angebrachter Garderoben. Ja, Frau G. war im Dunkel ebenso zu ahnen wie fünf Plätze für ihre potenziellen Opfer, aber wieso brauchte es für ihr Tun dreißig schmiedeeiserne Kleiderhaken? Wurden die Kundinnen erst barbiert, dann ausgeweidet und aufgehängt? Oder wurden sie bloß mit einer Sechzigerjahre-Toupierfrisur wieder ins feindliche Leben entlassen, nachdem sie ihr vorher am rosafarbenen Waschtisch ewige Treue hatten schwören müssen? Das Durchschnittsalter der hier Gefolterten lag bei fünfundsiebzig, das Durchschnittsstyling bei falschem Vanilleblond mit klumpigen Locken. Auch Frau G. schien in ihrer neuen Umgebung überraschend faltig, was mir zuvor nie aufgefallen war. Ich erwartete, mich selbst entweder als Zopfmädelchen oder als grausige Greisin im Spiegel zu erblicken, musste aber feststellen, dass ich nur sehr schlecht frisiert aussah. Manche Leute sind einfach nicht frisurfähig, und ich gehöre ganz bestimmt dazu. Auch Frau G. kann das nur vorübergehend ändern. Die Zeit meines Untertauchens hatte sie benutzt, um an der Volkshochschule einen Kurs „Gesprächstechnik für Friseurinnen“ zu absolvieren.

„Ach ja, Sie haben ja ein Haus renoviert“, säuselte sie, nachdem ich sagte, ich hätte ein Haus renoviert. Dann sprach sie mich noch mehrfach mit meinem Namen an, so als hätte sie ihn eben zuvor von einer Liste lang ersehnter, gerade erst wieder entdeckter Verwandter abgelesen. Frau G. hatte an der Volkshochschule bestimmt mit „Eins“ bestanden. „Natürlich“, setzte sie noch nach, obwohl ich daran überhaupt nichts natürlich finden konnte. Inzwischen ließ sie mich unter einem mausgrauen Kittelchen hocken und half mehreren Omas mit Vanilleblond auf. Schließlich kehrte sie zu mir zurück, um bizarre Muster in mein Haar zu schneiden. Nach der Prozedur würde ich aussehen wie mein Mann oder wie unser Hund, das war klar. „Es gibt da ein Problem“, sagte ich. „Natürlich“, sagte sie und begann, mich vanilleblond zu lackieren, „Sie sind jetzt aufgenommen.“ Die Greisinnen lächelten und nickten, und ich wusste, nichts würde mehr sein wie zuvor.

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