heute in hamburg: „Finanzsektor muss kleiner werden“
Gerhard Schick, 47, ist ehemaliges Mitglied des Bundestags für Bündnis 90/Die Grünen und seit 2018 Vorstand des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende.
Interview Katharina Gebauer
taz: Herr Schick, warum brauchen wir eine Finanzwende?
Gerhard Schick: Große Teile der Finanzwirtschaft sind auch elf Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise außer Kontrolle. Der Finanzsektor generiert eher Probleme als zur Problemlösung beizutragen. Ganz deutlich wird das bei der Klimakrise – die Finanzwirtschaft investiert immer noch in fossile Energien. Die Finanzwirtschaft müsste aber im Dienst der Gesellschaft stehen.
Wie muss eine Finanzwende aussehen, die das alles aufgreift?
Geschäfte ohne Bezug zur Realwirtschaft wie der Millisekundenhandel oder kriminelle Geschäfte müssen zurückgedrängt werden. Für die Kund*innen braucht es eine wirklich unabhängige Finanzberatung. Der Finanzsektor darf nicht mehr als Umverteilungsmaschine von unten nach oben funktionieren.
Wie sieht eine nachhaltige und stabile Finanzwirtschaft der Zukunft aus?
Sie wird dezentraler organisiert werden, der Finanzsektor muss kleiner werden, momentan ist er stark aufgebläht. Die Risiken dürfen nicht mehr auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Es braucht weniger komplexe Produkte und diese müssen nachhaltiger gestaltet sein. Wichtig ist auch, dass der Fokus nicht nur auf Rendite gelegt wird, sondern dass soziale und ökologische Aspekte miteinbezogen werden und sich die Finanzwirtschaft an diesen Merkmalen orientiert.
Und wieso braucht es dazu die Bürgerbewegung Finanzwende?
In den elf Jahren seit Beginn der Finanzkrise wurden die zentralen Probleme nicht angegangen und viele gute Verbesserungsvorschläge von der Finanzlobby vom Tisch gefegt. Es braucht deshalb als Gegengewicht zur Finanzlobby eine zivilgesellschaftliche Organisation, die auf eine Finanzwirtschaft für alle Menschen hinwirkt.
Vortrag und Diskussion „Finanzwende: Für eine Finanzwirtschaft, die Probleme löst, nicht verursacht“: 19 Uhr, GLS-Bank-Filiale Hamburg, Düsternstraße 10. Eintritt frei, Anmeldung erbeten unter schoenberger@haus-am-schueberg.de.
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