heute in hamburg: „Die Stadt als Bühne“
Interview Carlotta Hartmann
taz: Herr Batz, Ihr Freiluft-Theaterstück „Hamburger Jedermann“ haben Sie nach 25 Jahren eingestellt. Wieso?
Michael Batz: Angefangen haben wir in ruhiger Hafenumgebung. Die Magie, die die Speicherstadt an stillen Nächten füllte, kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Durch die Stadtentwicklung sind die umliegenden Straßen jetzt voller und die Partys hautnah dran – ein Sprechtheater ist durch Lärm und Umstände nicht mehr möglich. Der „Hamburger Jedermann“ wurde von seiner eigenen Wahrheit eingeholt: Das Stück hat immer auch die destruktive Seite des Kapitalismus erzählt.
Welche Rolle spielt der Tourismus in dieser Entwicklung?
Stadtentwicklung wird immer von Stadtmarketing begleitet, da ist Tourismus ein großer Impulsgeber. Hafencity, Speicherstadt und noch ein bisschen Reeperbahn: Darauf hat sich Hamburg reduziert. Dieses sehr fokussierte Marketing vermittelt entsprechende Erwartungen und Klischees.
Ihre blauen Lichtinstallationen haben durchaus Touristen angelockt.
Ich bin nicht prinzipiell gegen eine Kenntlichmachung der Stadt. Aber weder die „Blue Goals“ noch der „Blue Port“ waren und sind kommerzielle Projekte. Dass Kunst auch eine touristische Seite hat, ist nicht zu bestreiten: Beide sind Teil der Geschichte, die Hamburg von sich erzählt.
Sollte man Tourismus einschränken?
Massentourismus gab es früher nur im Krieg und im Kolonialismus. Heute wollen immer mehr Menschen reisen – das kann man natürlich niemandem verbieten. Schade ist, dass es oft nach dem Fast-Food-Prinzip geht: Möglichst schnell und bequem. Denken Sie an Salzburg oder Venedig – hier laufen Menschen durch ihr Klischee. Vielleicht muss man diese Städte irgendwann abschließen oder auf dem Ozean nachbauen. Mit dem Tourismus umzugehen, fordert Politiker, Künstler und Reiseanbieter gleichermaßen.
Diskussion „Wieviel Tourismus verträgt Hamburgs Kultur?“ mit Michael Batz (Autor und Künstler), Dorothee Martin (SPD) und Sascha Albertsen (Hamburg Tourismus GmbH): 19.30 Uhr, Stage Club, Stresemannstraße 163
Was können denn Stadt und Künstler tun?
Ich finde, Hamburg sollte das etwas langsamer angehen. Die Stadt wird auf die Hafenmeile und die Elbphilharmonie reduziert. Man müsste mehr Schutzräume schaffen, ab und an mal einfach etwas unterlassen. Oder man häuft alles auf ein Wochenende: Schlagermove, Triathlon, Harley Days. Dann hätte die Stadt ein ganzes Jahr zur Erholung. Nein, im Ernst: Man muss die Stadt als Bühne begreifen und organisieren.
Und dann?
Eine Intendanz legt fest, was stattfinden darf – nach kulturellem Wert, nicht nach Besucherzahlen. Der Tourismus würde weniger beliebig, und Hamburg einzigartiger.
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