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heute in hamburg„Ohne Migration gäbe es keine Musik“

Nils Grosch, 52, ist Professor für Musikwissenschaft an der Universität Salzburg und Begründer der „Music and Migration Collections“.

Interview Philipp Effenberger

taz: Herr Grosch, in Ihrem Buch nennen Sie viele Beispiele, wie Migration Musik beeinflusst hat. Warum kommen die türkischen „GastarbeiterInnen“ nicht vor?

Nils Grosch: Die Zusammenstellung der Beiträge ist durch eine öffentliche Ausschreibung geschehen. Wir haben nicht gezielt gesagt, das Thema brauchen wir nicht. Es ist für uns hoch relevant, gleichzeitig aber auch schon gut erforscht. Es wäre nicht sonderlich innovativ gewesen, das Thema mit aufzunehmen.

Wie genau beeinflusst Migration Musik?

Ich sehe das als ein Wechselverhältnis. Ohne Migration gäbe es keine Musik. Schon im Mittelalter waren Musiker eine hoch spezialisierte Berufsgruppe, die nur in Ausnahmefällen an einem festen Ort spielten. Im 18. Jahrhundert gab es wandernde Operntruppen. Die Mehrheit des Musiktheaterbetriebes war auf Reisen. Auch heute arbeiten und leben die wenigsten Musiker am gleichen Ort. In einer Fluchtsituation verlassen Menschen ihr Land nicht, weil sie woanders Musik machen wollen, sondern weil sie in der Heimat bedroht sind. Gebäude und Gemälde muss man zurücklassen. Doch Musik nimmt man immer mit.

Im Buch erwähnen Sie, dass Migration heute oft als Krise dargestellt wird. Inwiefern zeigt Ihr Buch, dass Migration auch Chancen beinhaltet?

Buchvorstellung „Musik und Migration –eine neue Schriftenreihe“: 19 Uhr, Ossietzky-Lesesaal, Staatsbibliothek, Von-Melle-Park 3, Eintritt frei

Wir wollen zeigen, wie wichtig Migration für eine lebendige Kultur ist und schon immer war. Denn Kultur kann niemals ohne Bewegung existieren. Die wiederkehrende Diskussion um den Begriff der „deutschen Leitkultur“ zeigt, dass man meint, die eigene Kultur vor anderen Einflüssen schützen zu müssen. Kultur kann nicht frei von Migration sein. Das ist eine merkwürdige Vorstellung. Gerade in der Nazi-Zeit wurde versucht, von „deutscher Kultur“ und „deutscher Musik“ zu reden, die nur in Deutschland gedeihen kann. So funktioniert Kultur nicht.

Wie kamen Sie dazu, Migration und Musik in Kombination zu erforschen?

Ich habe mich viel mit Exilforschung beschäftigt. Besonders mit musikalischen Menschen, die aus Nazi-Deutschland in die USA oder Südamerika flüchteten. Dort wurden viele erfolgreicher als in der Heimat, wie zum Beispiel Kurt Weill. Menschen, die unter friedlichen Umständen vermutlich nie emigriert wären, entfalteten sich oftmals besser. Das war natürlich nicht bei allen so, doch bei einigen war der Kulturaustausch sehr anregend.

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