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heute in hamburg„Es gibt kaum weibliche Bösewichte“

Maya Götz,

51, leitet das Internationale Zentralinstitut für Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayrischen Rundfunk.

Interview: Maren Knödl

taz: Frau Götz, wie wichtig ist Bildung im Kinderfernsehen?

Maya Götz: Die Zeit ohne Medien im Alltag von Kindern hat sich erledigt. Das bietet Möglichkeiten, birgt aber auch Verantwortung für die Medienschaffenden. Wenn Kinder im Fernsehen oder Internet beispielsweise eine Heldin finden, die sich mit Technik beschäftigt, kann das ihre Sicht sehr erweitern.

Wie werden Geschlechterstereotype im Fernsehen dargestellt?

Grundsätzlich gibt es doppelt so viele Helden wie Heldinnen. Und die wenigen werden als perfekte Superfrauen dargestellt: Sie können alles, sind nie überfordert, haben meist wallendes Haar und dünne Hüften. Die Helden der Jungen hantieren mit Technik, wie Bob der Baumeister oder Thomas, die Lokomotive. Für die Älteren gibt es die lustigen Losertypen wie Spongebob oder Homer Simpson.

Wie wirkt sich das auf die Kinder aus?

Sie streben ihren Vorbildern nach. Mädchen wollen alles richtig machen, und haben dann mit neun oder zehn Jahren ihre erste Identitätskrise. Sie merken, dass sie nicht so ideal sein können. Zum anderen gibt es kaum weibliche Bösewichte. Das passt die Mädchen an und begrenzt sie bei der Durchsetzung eigener Perspektiven. Jungen merken im Kindergarten, dass sie keine unendliche Macht haben. In der Schule ist es cooler, Witze zu reißen, als sich einzugestehen, dass man etwas nicht so gut kann.

Woher kommen diese konservativen Geschlechterrollen im Fernsehen?

70 Prozent der Drehbücher für Kindersendungen werden von Männern geschrieben. In der Produktion sind etwa 80 Prozent Männer und in der Regie bis zu 90 Prozent. Es wird also ein sehr männliches Bild von der Welt gezeigt.

Vortrag „Geschlechterdarstellung in Film und Fernsehen“, 16 Uhr, Filmfest Hamburg, Festivalzelt Allende-Platz

Wie könnte man dem entgegenwirken?

Zum einen durch Sensibilisierung. Die Charaktere müssen nicht so sexy sein, um sich zu verkaufen. Kinder selbst wünschen sich sogar kindlichere Darstellungen. Zum anderen müsste mehr Diversität in der Branche geschaffen werden. Mehr Frauen in der Produktion würden auch deren Anteil in der Regie erhöhen. Das zeigt sich dann später auch auf den Bildschirmen.

Wie müsste geschlechterneutrales Fernsehen aussehen?

Neutral muss es nicht sein, aber geschlechtersensibel. Es spricht nichts gegen rosa Prinzessinnen und Superman, interessanter sind aber Figuren, die kein eindeutiges Geschlecht haben, wie die Maus. Sie zeigen: Entscheidend ist nicht, ob wir Mann oder Frau sind, sondern was für ein Mensch wir sind.

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