piwik no script img

heute in hamburg„Überwiegend positiv“

Debatte Trinitatis-Gemeinde lädt Anwohner zur Nachlese des G20-Protestcamps vor der Kirche ein

Torsten Morche

52, ist seit 1. 7. Pastor der Altonaer Gemeinde St. Trinitatis. Zuvor war er an der Altonaer Johanniskirche tätig.

taz: Herr Morche, hatten Sie die Anwohner gefragt, bevor Sie das G20-Protestcamp vor Ihrer Kirche billigten?

Torsten Morche: Nein, das ging zu schnell. Der Kirchengemeinderat hat am Dienstag dazu getagt, und am Mittwoch standen die Camper vor der Tür.

Hatten Sie die Gemeinderatssitzung einberufen?

Nein, es war eine reguläre Sitzung. Angesichts der Nachrichten vom Entenwerder haben wir dann kurzfristig das Thema G20 auf die Tagesordnung genommen und beraten. Denn es war zu vermuten, dass sich die Camper andere Orte suchen würden – auch an der Trinitatis-Kirche.

Hat die Gemeinde die Camper eingeladen?

Definitiv nicht. Aber wir haben gesagt: Wenn sie ihre Schlafzelte hier aufschlagen, unternehmen wir nichts dagegen.

Sie haben in Kauf genommen, eventuell einen „Rückzugsort für Linksextreme“ zu dulden, wie es die Polizei formulierte.

Darüber haben wir lange debattiert. Am Ende hat mich der Gemeinderat beauftragt, vor Ort zu bleiben und die Dinge im Auge zu behalten. Ich habe das gründlich getan, bin mehrmals täglich, auch abends und nachts, über den Platz gegangen. Ich habe mit den Leuten gesprochen und hatte einen positiven Eindruck. Und mit der „Campleitung“ war besprochen, dass ich bei Gewalt einschreiten würde.

Wie denn – wenn selbst die Polizei es in der Schanze nicht schaffte?

Das ist spekulativ, dazu kann ich wenig sagen.

Wie haben die Anwohner das Camp aufgenommen?

Überwiegend positiv. Von den vielen Rückmeldungen gab es nur zwei kritische. Die Camper selbst haben erzählt, dass ihnen Leute spontan Geld und Lebensmittel gegeben hätten.

Wer waren die Camper?

350 sehr höfliche Leute zwischen 17 und 60 in 120 Zelten.

Keiner vom schwarzen Block?

Ich würde sagen: nein. Ausschließen kann ich es natürlich nicht. Aber nach den vielen Gesprächen, die ich geführt habe, würde es mich sehr wundern, wenn man mir nachwiese, dass hier jemand aus dem schwarzen Block übernachtet hat.

Wenn die Anwohner so positiv waren: Warum bitten Sie heute zur Debatte über das Camp?

Ich möchte ihnen die Möglichkeit geben zu erzählen, was sie erlebt haben. Ich möchte der Berichterstattung, die sich auf die Krawalle fixiert, Erzählungen vom friedlichen Protest entgegensetzen.

Interview PS

Austausch über das G20-Protestcamp: 19.30 Uhr, St. Trinitatis, Kirchenstr. 40

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen