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heute in hamburg„Vorstände sind autokratisch“

Diskussion „Initiative Siedlung Berne“ sucht nach Mitsprachemöglichkeiten in ihrer Genossenschaft

Foto: privat
Thomas Schmidt

61, Gymnasiallehrer in Berlin, aktiv in der Initiative „Genossenschaft von unten“, sitzt heute auf dem Podium.

taz: Herr Schmidt, wofür braucht es Ihre Initiative „Genossenschaft von unten“?

Thomas Schmidt: Es gab immer mehr Unzufriedenheit mit der Demokratie. In fast allen Genossenschaften sind die Vorstände sehr autokratisch.

Aber Genossenschaften sind doch per Definition durch und durch demokratisch.

Ja, das klingt erst mal so. Aber wenn man genauer hinschaut, haben die Mitglieder nur ganz wenige Möglichkeiten zu entscheiden. Über Neubauprojekte und Abrisse wird man nur im Nachhinein informiert, wenn alles schon beschlossen ist.

In der Wohnungsbaugenossenschaft „Gartenstadt Hamburg“ gibt es Streit. Eine Interessengruppe hat Sie als Experten eingeladen. Müssen sich die Vorstände dort Sorgen machen?

Ich werde über Demokratie in Genossenschaften reden. Aber ich sehe, dass es dort einen deutlichen Konflikt gibt. Das sieht mir sehr nach Einschüchterung von Seiten des Vorstandes aus. Sie greifen die Kritik nicht auf, sondern gehen dagegen vor.

Welche Handlungsoptionen haben Mitglieder gegenüber dem Vorstand?

Sie können sich zusammenfinden und das in die Vertreterversammlung bringen und den Vorstand damit konfrontieren. Das passiert ja da in Gartenstadt.

Aber das reicht Ihnen nicht?Es braucht eine Gesetzesänderung. Vertreter müssen die Vorstände wirklich wählen. Es darf nicht nur über den Aufsichtsrat gehen. Und sie müssen auch bindende Grundsatzentscheidungen treffen können, ob zum Beispiel abgerissen wird oder nicht.

Sind die Genossenschaften, was Mitgliederrechte angeht, in der Krise?

Ja! Ein Grund ist ideologischer Natur. Der Mainstream sagt: Es gibt keine Alternative zur Renditeorientierung. Genossenschaften sind fast ununterscheidbar von privaten Wohnungsanbietern geworden. Bevor die Gemeinnützigkeit der Genossenschaft Anfang der 90er wegfiel, waren die Preise in Berlin bei 50 Prozent des Marktpreises. Jetzt sind sie fast gleich. Das passt nicht. Unsere Initiative sagt: Preise dürfen nicht mit dem Markt begründet werden, sondern nur, wenn reale Kosten steigen. Es muss wieder deutlich werden, dass eine Genossenschaft etwas grundlegend anderes ist als ein privater Immobilienunternehmer.

Interview Daniel Trommer

Diskussionsveranstaltung mit Zuschauerbeteiligung „Wem gehört die Genossenschaft?“: 19.30 Uhr, Gemeindesaal der Friedenskirche Berne, Lienau­straße 6

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