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heute in hamburg„Eben Israel dämonisieren“

Koexistenz Yaşar Aydin möchte, dass migrantische Communitys ihren Antisemitismus reflektieren

Foto: privat
Yaşar Aydin

44, leitet ein Antisemitismus-Präventionsprojekt der türkischen Gemeinde und lehrt an der Hafencity Universität.

taz: Herr Aydin, wie stark ist der Antisemitismus hierzulande unter Migranten?

Yaşar Aydin: Einer Studie zufolge doppelt so hoch wie unter Menschen ohne Migrationshintergrund. Das liegt vor allem daran, dass es unter Migranten nie eine Antisemitismusdebatte gab. Daher ist Antisemitismus nicht so stark tabuisiert wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund.

In welchen migrantischen Milieus ist der Antisemitismus besonders stark?

Ich würde da nicht auf eine bestimmte Gruppe verweisen. Haupteinfallstor ist der Nahostkonflikt. Wobei Migranten eher den klassischen Antisemitismus mit Stereotypen wie „Die Juden sind an allem schuld und beherrschen die Welt“ pflegen. Bei den Deutschen ohne Migrationshintergrund findet man eher einen Schlussstrich- bzw. Schuldabwehr-Antisemitismus.

Welche Funktion erfüllt der Antisemitismus unter Migranten?

Eine Identität stiftende. Man kann sich abgrenzen und vereinfachen. Für Prozesse wie die Globalisierung einen Sündenbock finden. Bei Jugendlichen ist Israelkritik zudem oft Ausdruck der Solidarität mit Palästina, die dann in Antisemitismus kippt. Aber auch radikale Islamisten hängen dem Antisemitismus an – sowie Migranten, die sich als linkssozialistisch definieren. Die dämonisieren auf Facebook dann mal eben Israel.

Wie kann das sein?

Teils fehlt das Bewusstsein, und teils sehen sie Israel als Produkt des Imperialismus.

Wie kann man diese Debatte führen, ohne Islamfeindlichkeit zu schüren?

Indem man immer wieder betont, dass dies kein spezifisch islamisches Problem ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Dabei müssen wir den antimigrantischen und antimuslimischen Rassismus ernst nehmen.

Wie reagiert die Community auf Ihre Versuche, diese Debatte zu führen?

Einige sagen: Wir werden hier in Deutschland selbst diskriminiert, und diese Alltagsprobleme sind uns wichtiger. Andere finden: Es würde uns nicht schaden, ein Bewusstsein zu schaffen. Denn wenn wir nicht ausgegrenzt werden wollen, sollten wir es auch nicht tun. Aber natürlich gibt es auch Leute, die sehr radikal sind und die man nicht erreicht. Interview:PS

Diskussion „Was tun gegen Antisemitismus?“ mit Rosa Fava, Olaf Kistenmacher, Rabbi Shlomo Bistritzky und Yaşar Aydin: 18.30 Uhr, Jüdische Gemeinde, Grindelhof 30. Eintritt frei. Ausweis nötig. Anmeldung erwünscht unter stauber@jghh.org

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