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heute in hamburg„Keine neue Land-Idiotie“

Ernährungswende Die bäuerliche Arbeit müsse in den Alltag zurück, sagt Philosoph Harald Lemke

Foto: Enver Hirsch
Harald Lemke

51, Philosoph, Honorarprofessor an der Universität Hamburg, ist Mit-Initiator des Hamburger Ernährungsrats.

taz: Herr Lemke, ist Deutschland wirklich auf dem Weg zur Ernährungswende?

Harald Lemke: In der Zivilgeselschaft tut sich schon viel. Immer mehr Menschen denken über ihre Ernährungsgewohnheiten nach. Von der Politik kommen bislang allerdings zu wenig flankierende Maßnahmen.

Aber Billigmärkte sind gut besucht, teure Bioläden weniger.

Statistiken belegen: Bio boomt. In der Tat ist der Lebensmittelmarkt umkämpft, und zugleich übersättigt. Parallel gibt es diese Umbruch-Orientierung. Auch auf der Bewusstseinsebene tut sich in den letzten Jahren viel. Dass sich zum Beispiel immer mehr Menschen mit Veganismus befassen, stimmt mich optimistisch.

In vielen Kantinen gibt es weiter vor allem Fleisch. Massentierhaltung boomt.

Das mit der Massentierhaltung hängt damit zusammen, dass Deutschland eine Exportwirtschaft ist. Wir machen Deutschland zum Schweinesystem, um auf dem Weltmarkt Geschäfte zu machen – und denken zeitgleich über eine neue Ethik des Essens nach. Dieses Ungleichzeitigkeit ist unbestritten.

Welche Ernährungswende fordern Sie?

Weniger Fleisch, die Umstellung der Massentierhaltung auf artgerechte Haltung und Regionalisierung. Wir müssen ein gesellschaftliches Klima schaffen, das die bäuerliche Arbeit wieder stärker in unseren Alltag zurückbringt. Stichworte wären Urban Gardening oder solidarische Landwirtschaft. Immer mehr Menschen haben Lust, einen Teil ihrer Zeit mit Gemüseanbau und Tierzucht zu verbringen. Aber immer in Kombination mit Computer-und Handy-Nutzung, Also kein Zurück zur Marx’schen Land-Idiotie.

Welche Rolle spielt der Hamburger Ernährungsrat dabei?

Bislang eine bescheidene. Unsere Initiative wurde – als bundesweit dritte nach Berlin und Köln – im ApriI 2016 gegründet und will erstmal Kräfte bündeln.

Wollen Sie irgendwann in Kommunen, im Bund mitregieren?

Nein. Eine Ernährungswende ist zu groß, als dass sie ein bloß parteipolitisches Programm sein könnte. Uns geht es zunächst darum, mehr politische Mitent­scheidung einzufordern. Einige Mitglieder – auch ich – kommen aus der „Recht auf Stadt“-Bewegung. Mir geht es nicht nur ums Essen, sondern darum, dass demokratische Entscheidungsprozesse nicht mehr so elitär oder repräsentativ abgeschottet stattfinden wie bisher.

Interview: PS

„Deutschland auf dem Weg zur Ernährungswende“: 15–18 Uhr, GLS Bank, Düsternstr. 10

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