heute in hamburg: „Das Gedenken begann spät“
Shoah Vortrag übers Erinnern an zwei große NS-Opfergruppen – Juden sowie Sinti und Roma
taz: Frau Vagt, inwiefern geht Hamburg unrühmlich mit der Erinnerung an den Holocaust um?
Kristina Vagt: Das war in Hamburg nicht anders als anderswo: Das Thema war lange mit Scham besetzt und wurde verdrängt. Die Debatte über den Holocaust und die Befassung mit den Opfern begann erst Ende der 1970er-Jahre.
Aber seither ist Hamburgs Erinnerungskultur vorbildlich?
Die Erinnerung an die jüdischen Opfer ist in den letzten Jahrzehnten sehr gepflegt worden. Den Völkermord an den Sinti und Roma aber hat der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt erst 1982 anerkannt. Es gibt in Hamburg nur wenige Gedenkorte für Sinti und Roma. Das wird sich mit dem geplanten Gedenkort Hannoverscher Bahnhof ändern: Er soll an beide Gruppen erinnern.
Werden Sie heute auch über andere NS-Opfer sprechen, also etwa Geistig Behinderte, „Asoziale“, Kriminelle?
Nein. Der Vortrag ist Teil einer Reihe über Flucht und Exil. Ich konzentriere mich auf die aus rassischen Gründen Verfolgten.
Sie haben Ausstellungen über die Zeit des Nationalsozialismus mitgestaltet. Wie sieht die Gedenkkultur der Zukunft aus?
Geschichte wird stärker medialisiert: Bald wird kein Zeitzeuge mehr leben, sodass Gedenkstätten noch mehr mit Video-Interviews arbeiten werden.
Und wie geht man mit der Einwanderungsgesellschaft um? Wie lassen sich etwa arabische Jugendliche sensibilisieren, die mit Antisemitismus aufwuchsen?
Gedenkstätten werden weiterhin vor allem an die Geschichte erinnern. Zugleich werden sie sich stärker mit Fragen nach Gewalt-, und Fluchterfahrungen befassen. Arabische Jugendliche könnte man vielleicht erreichen, indem man sie auf die Fluchterfahrung hinweist, die sie mit vielen Holocaust-Opfern teilen. Interview:PS
Vortrag „Unrühmlicher Erinnerungsort. Flucht und Deportation von Hamburger Juden, Sinti und Roma 1933–1945“: 18 Uhr, Uni-Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1, Hörsaal M
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