piwik no script img

heute in hamburg"Das Engagement nimmt zu"

PERFORMING CITIZENSHIP Die Hafencity-Uni stellt ein Projekt über neue Formen der Bürgerschaft vor

Foto: Benno Tobler
Gesa Ziemer

44, ist Professorin und Vizepräsidentin der Hafencity-Uni. Sie forscht vor allem über Kunst und urbane Räume.

taz: Frau Ziemer, was es heißt für Sie Bürgerin zu sein?

Gesa Ziemer: Normalerweise heißt Bürgerin sein, dass man zu einer definierten Gruppe gehört, wie einer Nation. Der Bürgerschaftsbegriff wird aber zunehmend unschärfer, weil immer mehr Menschen den klassischen Kriterien nicht mehr entsprechen – zum Beispiel, wenn sie keinen Pass haben. Dann bedeutet Bürger sein, dass man durch informelle selbstermächtigte Praktiken Zugehörigkeiten produziert, zum Beispiel in einem Nachbarschaftsnetzwerk.

Ist diese Art von Bürgerschaft das „Performing Citizenship“?

Das ist unser Graduiertenkolleg, in dem die Promovierenden neue Formen von Bürgerschaft erforschen. Das gesellschaftliches Engagement nimmt generell zu und es gibt unterschiedliche und oft individuelle Praktiken, die die Leute benutzen, um Teil der Gesellschaft von heute zu werden.

Gibt es Beispiele in Hamburg?

Es gibt ganz viele Beispiele. Wir kooperieren mit einer Schule, in der fast alle Kinder Migrationshintergrund haben. Die Mädchen haben ihre eigenen informellen Praktiken, durch die sie Gemeinschaften bilden. Noch ein Beispiel ist die Rückeroberung des Gängeviertels. Das ist ein Areal, das besetzt wurde, damit die Stadt dieses von einem Investor zurückkauft. Das Kollektiv hat inzwischen dafür gesorgt, dass eine Genossenschaft daraus gemacht wurde. Besonders interessant ist, dass dabei immer wieder auch künstlerische Praktiken eingesetzt wurden.

Ist die Kunst die neue Form der Bürgerschaft?

Künstlerische Praktiken sind nicht neue, aber wichtige Formen, um Bürgerschaft zu artikulieren. Sie sind ein gutes Mittel, um das Bürgerengagement in die Öffentlichkeit zu tragen.

Welches Verhältnis besteht zwischen dieser Art von Politik und ihrer klassischen Form?

Die klassische Politik wird lernen müssen, in Zukunft mit Formen von Bürgerengagement neu umzugehen. Wenn wir noch einmal auf das Gängeviertel zurückkommen: Dort arbeiten die Leute mit der Stadtentwicklungsbehörde zusammen. Genau solche Projekte sollen wir entwickeln, wo es eine Schnittstelle zwischen beiden Arten der offiziellen Politik und inoffiziellen Bürgerengagements gibt.

Interview: ANNA DOTTI

Auftakt der Präsentationswochen des Graduiertenkolleg „Performing Citizenship“, „Performative Bürgerschaft“, 18.15 Uhr, Jupibar, Caffamacherreihe 37–39

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen