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heute in bremen„Das Stigma ist noch da“

Foto: privat

Christiane Kaufmann 33, arbeitet in der psychosozialen Beratungsstelle des Rat&Tat-Zentrums in Bremen.

Interview Alina Fischer

taz: Ist HIV heutzutage überhaupt noch ein Problem, Frau Kaufmannn?

Christiane Kaufmann: Inzwischen gibt es in Deutschland eine sehr gute medizinische Versorgung. Das sah Mitte bis Ende der Neunziger Jahre noch anders aus. Inzwischen gibt es mehr als 20 verschiedene Wirkstoffe gegen HIV. Wenn die Erkrankung frühzeitig erkannt und therapiert wird, sind die Lebenserwartungen die gleichen wie bei gesunden Menschen. Was viele nicht wissen, ist, dass sich die Viren bei einer gut eingestellten Therapie irgendwann gar nicht mehr vermehren und die Krankheit auch nicht mehr übertragen wird, etwa beim Sex. Natürlich gibt es aber noch die psychische und die gesellschaftliche Komponente. Besonders das gesellschaftliche Stigma ist noch da. Es belastet Menschen. Oftmals wollen sie sich ungern outen, weil sie Angst haben, durch ihre Krankheit Nachteile zu erfahren.

Wie viele Infizierte gibt es in Bremen?

Ende 2019 lebten hier schätzungsweise 1.500 Menschen, die mit HIV infiziert sind.

Zum diesjährigen Welt-Aids-Tag legen Sie den Fokus auf die Arbeitswelt. Warum?

Viele Menschen trauen sich nicht, sich an ihrem Arbeitsplatz zu outen. Tatsächlich berichteten viele, die sich geoutet haben, dass sie danach Diskriminierung erfuhren: Sie wurden von anderen gemieden, erhielten keine Beförderung oder wurden sogar gekündigt. Solche Berichte fördern natürlich die Angst vor einem Outing. Gerade der Arbeitsplatz ist aber für viele Erkrankte eine wichtige Komponente des Alltags. Er gibt ihnen Stabilität und das Gefühl, ein ‚normales’Leben zu führen sowie ein wichtiges Mitglied der Gemeinschaft zu sein.

Was hat es mit der Deklaration #positivarbeiten auf sich?

Welt-Aids-Tag: Die Spendensammlung fällt coronabedingt aus. Der traditionelle AIDS-Teddy wird in Geschäften, Arztpraxen, Apotheken gegen Spende abgegeben

Arbeitgebende verpflichten sich damit, Diskriminierung am Arbeitsplatz aktiv entgegenzuwirken. Inzwischen gibt es bundesweit schon über 100 Unterzeichner*innen, darunter zwei aus Bremen.

Was kann ein Unternehmen konkret tun?

Viele Unternehmen sagen, in ihrer Unternehmenskultur sei so etwas selbstverständlich. Das ist schön. Viel wichtiger ist aber die spezifische Ansprache, zum Beispiel auf den Social-Media-Kanälen des Unternehmens oder auf der Firmen-Website. Es sollte aktiv benannt werden, dass Betroffene im Unternehmen Unterstützung erfahren werden, quasi ein: „Wir stehen hinter euch.“ Außerdem kann es sinnvoll sein, eine Ansprechperson in der Firma zu haben, an die sich HIV-positive Arbeitnehmer*innen wenden können.

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