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heute in bremen„Wegen Nichtigkeiten eingesperrt“

Tania Torrealba Olivares

Aktivistin im „Cabildo Abierto de Bremen“, der offenen Versammlung von Chilenen seit November 2019.

Interview Selma Hornbacher-Schönleber

taz: Frau Torrealba Olivares, wer sind die Mapuche, mit denen sich die Demo solidarisiert?

Tania Torrealba Olivares: Die Mapuche sind ein indigenes Volk Chiles. Der Name heißt übersetzt „Menschen des Landes“. Sie sind sehr verbunden mit der Erde und ihren Geistern und sehr aktivistisch bezüglich Umweltthemen. Sie verstehen sich nicht nur als Schutz für ihre eigene Bevölkerung, sondern für die ganze Menschheit. Seit der Revolte 2019 verstehen sich die Chilenen und Mapuche mehr als ein gemeinsames Volk.

Das ist neu?

Das war vorher nicht so, sie wurden sehr ausgegrenzt. Das hat eine lange Geschichte. Bis Oktober wurden die Mapuche von vielen Chilenen oft als Negativbild der Gesellschaft gesehen, nicht als Volk, sondern als existierendes Übel. Sie werden unterdrückt, diskriminiert, ihr Land wird ihnen nicht zugestanden – so wie es Indigenen überall ergeht.

Und was ist jetzt der konkrete Anlass der Demo?

Das war der Aufruf der Mapuchegemeinschaft in Chile bezüglich des Machi Celestino Córdova und 26 anderer Peñi...

... also seine Leute,...

... die zum Teil seit Wochen im Hungerstreik in U-Haft sitzen. Der Aufruf ist, das weltweit bekannt zu machen. Ab morgen begibt sich der Machi in einen trockenen Streik, er trinkt auch nicht mehr, obwohl sein Zustand schon jetzt lebensbedrohlich ist.

Wer ist das?

Er ist nicht nur ein Heiler, er ist auch eine hochrangige spirituelle Autorität. Machis, das können Männer und Frauen sein, stehen über den Lonkos, den Häuptlingen. Und dieser Machi Celestino Córdova ist die höchste spirituelle Autorität der Mapuche.

Warum befinden sich die Gefangenen im Hungerstreik?

Kundgebung „Freiheit für Machi Celestino Córdova!“: 17 Uhr, am Marktplatz

Es geht darum, dass der chilenische Staat internationale Vereinbarungen vernachlässigt, in denen steht, dass Indigenen ihr Land zurückgegeben werden muss, dass sie ihre Sprache sprechen dürfen und eben auch, dass sie, falls sie ins Gefängnis gehen, dort auch ihre traditionellen Rituale ausüben dürfen. Daran hält sich die chilenische Regierung nicht: Die Mapuche werden wegen Nichtigkeiten eingesperrt, in den Gefängnissen diskriminiert und geschlagen. Seit März ist da zusätzlich die Covid-19-Pandemie, die von der völlig ignoranten Regierung heruntergespielt wird. Sie erlügen eine Geschichte nach der anderen. Durch das neoliberale System, gegen das sich auch die Revolte 2019 gerichtet hat, wurden jahrzehntelang soziale Aspekte wie Gesundheit, Rente oder Bildung vernachlässigt. Das ist jetzt die Rechnung: Die Pandemie zeigt offensichtlich die Missstände in Chile.

Welche Forderungen stellen die Mapuche?

Die konkreteste ist, dass der Machi Celestino Córdova zurück in seine Rewe, seine Gemeinschaft kann. Dann die Freilassung aller gefangenen Mapuche und aller Gefangenen der Revolte. Außerdem die Rückgabe der Mapuche-Territorien, dass die chilenische Polizei und das Militär die Region verlassen. Die Einhaltung der internationalen Verträge und die Beendigung der Diskriminierung.

Was kann eine Demo da ausrichten?

Wir demonstrieren auch, weil die chilenische Regierung den Hungerstreik abstreitet. Wir wollen laut werden, Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass in Chile schon seit letzter Woche demonstriert wird. Wir folgen dem Aufruf und tragen das in die Welt.

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