heute in bremen: „Manchmal benötigen sie Abstand“
Die Innere Mission eröffnet in Blumenthal eine neue intensiv-pädagogische Einrichtung für straffällige Jugendliche
Katharina Kähler, 39,
Leiterin der Kinder- und Jugendhilfe im Verein für Innere Mission.
Interview Florian Fabozzi
taz: Frau Kähler, an welche Jugendliche richtet sich der Sattelhof als intensivpädagogische Einrichtung?
Katharina Kähler: Sie ist für straffällig gewordene Jugendliche gedacht, die eine Intensivbetreuung benötigen und dient der Vermeidung der Untersuchungshaft. Durch unsere Betreuung sollen sie sich wieder positive Lebenschancen erarbeiten.
Handelt es sich um eine geschlossene Einrichtung?
Nein, wir haben uns bewusst dafür entschieden, als Träger nur für eine offene Einrichtung zur Verfügung zu stehen. Das ist auch der Auftrag der Politik gewesen.
Wie viel Freiraum haben die Jugendlichen?
Es gibt klare Regeln, die unumstößlich sind. Wenn die Jugendlichen den Sattelhof für Termine verlassen wollen, müssen sie das anmelden. Zu welchen Anlässen sie das Gelände verlassen dürfen, wird individuell abgesprochen. Wir müssen auch die gerichtlichen Auflagen berücksichtigen. Es muss gegebenenfalls dokumentiert werden, wann die Jugendlichen sich wo aufhalten.
Wie sieht es mit dem Kontakt zu Verwandten aus?
Auch da gibt es Regeln. Für unsere fachliche Arbeit ist es störend, wenn Verwandte plötzlich unangemeldet erscheinen. Wir wollen Jugendliche nicht von ihren Eltern fernhalten, aber manchmal benötigen sie Abstand zum früheren Lebensumfeld.
Wie sieht das Konzept konkret aus?
Es gibt verschiedene Betreuungsphasen, die die Jugendlichen durchleben – das Ankommen, die Orientierung und die Stabilisierung. Gerade zu Beginn ist die psychologische und pädagogische Betreuung sehr engmaschig und die Jugendlichen haben nur wenig Entscheidungsfreiheiten. Wenn sie sich zuverlässig und vertrauenswürdig verhalten, vergrößern wir ihren Handlungsraum.
Worin besteht der Alltag der Jugendlichen?
Es gibt einige feste Strukturen. Zur fachlichen Betreuung gehören psychologische Beratungsgespräche, pädagogische Gruppenarbeiten und Tagesreflexionsgruppen. Dazu kommen Gemeinschaftsdienste, mit denen die Jugendlichen Verantwortung übernehmen. Hierzu gehören hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Putzdienste und die Erledigung von Einkäufen. Geplant sind jedoch auch Beschäftigungsangebote. Gerade Sport kann helfen, Entlastungsstrategien zu entwickeln und Druck abzubauen. Auch Kunstangebote wird es geben.
Welche Perspektiven haben die Jugendlichen nach der Intensivbetreuung?
Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es ist unsere Aufgabe, gemeinsam mit den Jugendlichen, ihren Erziehungsberechtigten und dem Jugendamt die richtige Anschlussmaßnahme zu finden.
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