heute in bremen: „Nicht so viel neu bauen“
Marianne Klute, 67, ist Chemikerin, war lange bei „Watch Indonesia“ und arbeitet freiberuflich für das Denkhaus Bremen.
Interview Alina Götz
taz: Frau Klute, was ist schlimm an Zement?
Marianne Klute: Zum einen werden die Karstgebirge, wo das Kalkgestein für Zement abgebaut wird, zerstört. Das sind wichtige Ökosysteme, die Wasserkreisläufe regulieren und CO2 speichern. Beim Abbau wird CO2 frei. Wenn Kalkgestein zu Zement weiterverarbeitet wird, was zudem sehr energieintensiv ist, entweicht wiederum noch mehr. Die CO2-Emissionen der Zementproduktion sind vier Mal so hoch wie die des gesamten globalen Luftverkehrs.
Wo wird Zement denn abgebaut?
Ein Beispiel ist Java, Indonesien. Über ein Abbaugebiet, das Kendeng-Gebirge, sprechen wir heute Abend. Dieses Karstgebirge dort ist enorm wichtig für die Reiskultivierung. Hier entspringen zahlreiche Quellen. Im Kendeng-Gebirge leben ökologische Gemeinschaften, deren Lebensform bedroht ist.
Gibt es denn Alternativen?
Für unseren heutigen Verbrauch nicht. Die Menschheit war früher auch zerstörerisch, aber heute beschleunigt sich das derart. Nicht so viel neu bauen ist also die erste Alternative.
Können Sie kurz die Produktionskette von Zement darstellen?
Grundbaustein sind Kalksteine, die mit Lehm und Sand erhitzt und dabei zu gebranntem Kalk und CO2 umgewandelt werden. In dem Beispiel aus Indonesien sind diese Fabriken zur Weiterverarbeitung direkt an den Abbaugebieten. Das fertige Produkt wird zum Teil exportiert, zum Teil für viele neue Häfen und Flughäfen im Land genutzt. In diesem Karst sind derzeit vier Fabriken geplant, eine davon gehört „Indocement“. Die Mehrheit an dem Konzern hält übrigens „HeidelbergCement“, ein deutsches Unternehmen.
Was kann ich als Privatperson tun?
Schon bestehende Häuser weiter bewohnen, gegen Straßenneubau protestieren. Auf kommunaler Ebene gibt es da einige individuelle Möglichkeiten, sich einzubringen. Und beim Hausbau sollte ich abwägen, wie viel Raum ich wirklich selber brauche.
Vortrag: „Zement ist ein Klimakiller“, 19 Uhr, KlimaWerkStadt, Westerstr. 58
Alle fordern energieeffiziente Häuser. Da ist dann ja aber auch Zement drin.
Ja. Zement ist wesentlicher Grundstoff von Beton. Auch Sand ist da drin, und damit haben wir genau das gleiche Problem. Der Abbau von Stränden und Meeresboden ist zerstörerisch.
Aber irgendwelche Neubauten brauchen wir doch.
Es geht um mehr als um individuellen Wohnraum. Es geht um die Zerstörung der Natur, um die Zubetonierung unserer Landschaften. Um riesige Infrastrukturprojekte wie Häfen, Flughäfen, Autobahnen und Wolkenkratzer.
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