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heute in bremen„Transformation in Demokratien“

Foto: privat

Thomas von der Osten-Sacken, 50, ist freier Publizist und Geschäftsführer von Wadi, einer NGO für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit, die im Nahen Osten tätig ist.

Interview Jean-Philipp Baeck

taz: Herr von der Osten-Sacken, wie viele Projektionen schwingen mit, wenn unter Linken von „den Kurden“ gesprochen wird?

Thomas von der Osten-Sacken: Sehr viele. Die Vorstellung von dem kurdischen Volk, das eine Einheit darstellt und einem Führer folgt, wird der Realität vor Ort nicht gerecht. Gerade in Deutschland gibt es einen Wunsch nach einem homogenen unterdrückten Volk, der aber mehr über diejenigen etwas sagt, die ihn hegen. In den verschiedenen Teilen Kurdistans sind die Unterschiede so groß wie die Gemeinsamkeiten.

Dennoch darf man doch Hoffnungen mit Rojava und einem sozialistischen Westkurdistan in Nord-Syrien verbinden?

Zum einen stehen die ökonomischen Gegebenheiten einem Sozialismus im Weg und zum anderen gibt es auch im syrischen Teil Kurdis­tans Repression gegen Andersdenkende. Ich halte es immer für problematisch, sich sozialistische Paradiese herbeizuwünschen, weil ich nicht glaube, dass den Leuten vor Ort damit gedient ist.

Aber?

... aber – egal, ob in Irakisch-Kurdistan oder in Syrisch-Kurdistan: Es ist unglaublich wichtig, dass die Kurden als gleichberechtigte Staatsvölker in den Ländern anerkannt sind. Ich denke, föderale Lösungen sind besser als eine Eigenständigkeit und die Lage in Nord-Syrien ist besser als im Rest des Landes.

Sie sprechen heute über Minderheiten und ihre Rechte im „Nahen Osten“. Lässt sich deren Lage überhaupt pauschal betrachten?

Vortrag und Diskussion über „Minderheiten und Minderheitenrechte im Nahen Osten“ mit Thomas von der Osten-Sacken und Ali Ertan Toprak (Kurdische Gemeinde Deutschland), 19.30 Uhr, Kulturzentrum Lagerhaus

Ich bin generell kein Freund von der Unterscheidung von Mehrheiten und Minderheiten und würde eher von Problemen der Staatsbürgerschaft, des „Citizenship“ und der Freiheit sprechen. Denn Minderheiten können kulturelle Rechte haben und lassen sich auf der anderen Seite unterdrücken. Eines der grundlegendsten Probleme im Nahen Osten ist, dass jeder über die Herkunft oder Geburt definiert wird: Ich bin Sunnit, Schiit, Araber oder Kurde. Das drängt Leute in Kollektive. Ein Ausweg sind nicht Minderheitenrechte, die sicherlich auch garantiert werden müssen, sondern die Transformation dieser Staaten in rechtsstaatliche Demokratien, in denen individuelle Rechte gelten.

Wenn wir dennoch von Minderheiten sprechen, wo sehen Sie aktuell die größten Probleme?

Die Lage der Jesiden ist katastrophal, nachdem die Terrormiliz ‚Islamischer Staat‘ einen Völkermord an ihnen verübt hat. Die Jesiden leben heute in Flüchtlingslagern verstreut, ohne Aussicht auf Rückkehr. Dann gibt es die Bahai im Iran oder die Christen im Irak oder der Türkei.

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