piwik no script img

heute in bremen„Die verdienen sich dumm und dämlich“

Wolfgang Gregor, 65, war Kapitän, Manager und Berater und arbeitet heute als freier Journalist mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Kreuzfahrtindustrie. 2016 erschien sein Buch „Der Kreuzfahrt-Komplex“.

Interview Simone Schnase

taz: Herr Gregor, Sie waren Schiffsoffizier und Kapitän – haben Sie selbst auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet?

Wolfgang Gregor: Nein, aber meine Frau und ich haben mehrfach Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff gemacht. Das war die ersten Male auch toll, aber irgendwann sind mir immer mehr Dinge aufgefallen, die mir nicht gefallen haben.

Was zum Beispiel?

Zum Beispiel die Behandlung der Besatzung, zum Beispiel die immense Umweltverschmutzung durch die Schiffe – und dann habe ich angefangen zu recherchieren.

Was war für Sie bei den Recherchen das Schockierendste?

Die Behandlung der Besatzung: Die arbeitet teilweise für einen Stundenlohn von weniger als einem Euro und zehn Monate am Stück ohne Urlaub, ohne einen einzigen freien Tag, ohne Sozialversicherung – und das für solche beliebten Linien wie Aida oder Costa.

Aber das ist doch gar nicht erlaubt!

Nun, kaum eines dieser Schiffe fährt unter deutscher Flagge oder der eines anderen Landes mit einem Arbeitsrecht, das so etwas verbietet. Es gilt das Recht des Flaggenstaates – also beispielsweise das panamesische Recht. Dort müssen übrigens auch so gut wie keine Steuern bezahlt werden – hier sparen die Reeder ebenfalls sehr, sehr viel Geld.

Wird auch an der Sicherheit der Passagiere gespart?

Es gibt Schiffe, auf denen nicht für jeden Passagier ein Platz im Rettungsboot vorhanden ist. Das liegt an Ausnahmegenehmigungen des Flaggenstaates, die gern genutzt werden. Denn anstelle der Boote können Kabinen mit Balkonen ausgestattet werden. Hier wird nur auf Profitmaximierung geschaut, die Reedereien verdienen sich dumm und dämlich – ich werde da heute Abend ein paar interessante Zahlen nennen.

Vortrag „Kreuzfahrten – ein Blick hinter die Kulissen“ von Wolfgang Gregor: 19 Uhr, Übersee-Museum

Warum unternehmen immer mehr Menschen Kreuzfahrten?

Die Reisen werden immer günstiger, man wird komplett verpflegt und hat das Hotel sozusagen den ganzen Tag bei sich – das ist für viele Menschen durchaus attraktiv.

Für viele Städte allerdings nicht …

In der Tat. Der Massentourismus der Kreuzfahrtschiffe vertreibt vielerorts den guten Tourismus. Im vergangenen Jahr kamen beispielsweise fast 750.000 Kreuzfahrttouristen nach Dubrovnik – einer Stadt mit nur 40.000 Einwohnern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen