heute in bremen: „Auch seine Persönlichkeit zerstören“
Hans-Georg Eberhard, 61, ist Informationssicherheitsexperte und berät Unternehmen und Organisationen in Fragen des Datenschutzes.
Interview Teresa Wolny
taz: Herr Eberhard, ist es schlimmer, seine Brieftasche zu verlieren oder sein Handy?
Hans-Georg Eberhard: Das hängt vom Umfang der Brieftasche, der aktuellen Bedrohungslage und davon ab, wie man sich und seine persönlichen Daten selbst einschätzt. Der normale User ist anderen Risiken ausgesetzt als Menschen, die etwa politisch relevant sind.
Was kann schlimmstenfalls mit den Daten passieren?
Man könnte die gesamte Kommunikation überwachen, also etwa auch live in Telefongespräche einsteigen oder Daten verändern. Ein Spiegelreporter hat diesbezüglich mal einen Selbstversuch gestartet. Die Hackergruppe hatte ihm unter anderem bei Amazon fünf Kühlschränke bestellt und seinen Job gekündigt, und als sie ihn mit seinen Daten zum Pädophilen machen wollten, brach er den Versuch ab. Das ist in etwa die Bandbreite dessen, was passieren könnte – jemanden nicht nur wirtschaftlich schädigen, sondern auch seine Persönlichkeit zerstören.
Was sagen Sie zu dem Argument „Ich bin doch eh nicht interessant genug, um überwacht zu werden“?
Dazu gibt es das schöne Zitat von Snowden „Zu argumentieren, dass man sich nicht um das Recht auf Privatsphäre schert, weil man nichts zu verbergen habe, ist nichts anderes, als wenn man konstatiert, dass man sich nicht um freie Meinungsäußerung schert, weil man nichts zu sagen hat“. Aber man muss sich auch mit Entwicklungen wie dem „Scoring“ ab 2020 in China auseinandersetzen, dass etwa aufgrund von Online-Bestellungen bewertet wird, ob und inwiefern man womöglich unbequem für den Staat ist. Da geht es nicht um abhören, sondern um das, was wir freiwillig an Daten anbieten. Das hat schon heute Auswirkungen. Wenn man seinen Unterhalt nicht zahlt, kann man dort etwa keine Hochgeschwindigkeitszüge fahren.
Wie sieht es in Deutschland aus?
Vortrag "Von Hackern, Darknet und NSA – ein Einblick in verborgene digitale Welten", 19.30 Uhr, Villa Ichon
Das wird Gegenstand von politischen Auseinandersetzungen sein. Im Handlungspapier der Groko ist die Strafbarkeit des Darknet ein Thema. Das Darknet zu kontrollieren ist jedoch eine Einschränkung von Freiheit, weil man dort nicht nur hingeht, wenn man etwas zu verbergen hat, sondern auch, wenn man sich vor Überwachung schützen möchte.
Was kann man jetzt sofort tun, um sich vor Hackerangriffen zu sichern?
Konkret kann man seine Mails verschlüsseln und Alternativen zu großen Programmen wie Google und Internet Explorer nutzen. Das mag zwar unbequem sein, aber Müll trennen ist auch nicht bequem.
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