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heute in bremen„Luther lebte in Angst vor dem Teufel“

Norbert Harms, 56, hat in Marburg Theologie studiert und ist Pastor in der Martin-Luther-Gemeinde in Findorff.

Interview Teresa Wolny

taz: Herr Harms, reden Sie jetzt gerade freiwillig mit mir?

Norbert Harms: Ja, klar.

Woher wissen Sie das?

Ich mache sowas an leiblichen Symptomen fest. Wenn ich wie jetzt Neugier, also körperliches Wohlsein verspüre, mache ich es freiwillig.

Die Frage des freien Willens wird in vielen Wissenschaften diskutiert. Wie kriegen Sie das in einem kurzen Vortrag unter?

Ich werde anfangs kurz darauf hinweisen, dass ich auf den Streit zwischen Martin Luther und Erasmus über dieses Thema eingehe, und damit die Diskussion einleiten. Unser Gespräch ist dafür tatsächlich eine gute Übung.

Wie diskutierte Luther denn die Willensfreiheit?

Luther bezieht sich in seiner Auslegung auf das Johannesevangelium, in dem Jesus zu seinen Jüngern sagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Diese Anschauung sieht den Menschen im Prinzip wie ein Lasttier, auf das sich entweder Satan oder Gott setzt, um es zu lenken. Luther lebte in Angst vor dem Teufel. Er kämpfte dagegen, merkte aber nicht, dass dieser Kampf zu Fundamentalismus und Verachtung, auch vor mir selbst, führt. Auch er ist Fundamentalist, wenn er sagt „Erlösung gibt es nur durch Christus“ und der Meinung ist, dass dies die einzige Chance des Menschen sei, Gutes zu tun. Darüber entsteht eine Ausschließlichkeit, nur eine bestimmte Gruppe für einsichtig zu halten. Im realen Leben führt dies zur Herab­setzung anderer und zu Gewalt.

Impulsvortrag und Diskussion zur „Willensfreiheit“: 17.50 Uhr, Kapitel 8, Domsheide 8

Und Erasmus?

Wenn Gott im Alten Testament die Menschen vor die Wahl stellt, sich entweder an sein Gesetz zu halten oder zu sterben, interpretiert Erasmus das als Willensfreiheit. Luther zufolge zeigt diese Stelle gerade die Ausweglosigkeit der Situation.

Und was meinen Sie?

Ich denke, dass es sowohl in der Psychologie als auch im geistigen Leben möglich ist, seinen Willen zu schulen. Ob dieser am Ende frei ist, ist erst einmal nicht das Problem. Wichtig ist, zu üben, was meinem Leben nutzt und was mein Leben glücklich machen kann. Eigentlich besteht das ganze Leben aus dieser Übung, bis zum letzten Atemzug. Das Paradox in der religiösen Welt ist dabei, dass diejenigen, die sich für besonders heilig halten, im Alltag manchmal am wenigsten heilig sind, was etwa den Aspekt der Gewaltfreiheit angeht.

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