heute in bremen: Keine Appelle von der Politik
Interview Teresa Wolny
taz: Frau Determann, was sind die Unterschiede der Arbeitsmigration der 50er- und 60er-Jahre und der von heute?
Eva Determann: Diese Unterschiede sind unvergleichlich groß, da die Situation in der deutschen Nachkriegszeit sehr spezifisch war. Durch das Wirtschaftswachstum sah man, dass die Arbeitskräfte in Deutschland knapp werden würden. 1955 wurde daraufhin das erste, nicht unumstrittene Anwerbeabkommen mit Italien geschlossen, um auf diesen zusätzlichen Arbeitskräftemarkt zurückgreifen zu können. Bis 1961 konnten große Teile des Bedarfs aber auch durch die sogenannten Vertriebenen und Flüchtlinge aus der DDR gedeckt werden.
Wie war das in Bremen?
Bremen war in dieser Hinsicht auch dank der Hafenwirtschaft attraktiv, die vor allem nach gelernten Arbeitskräften verlangte und deshalb eher reserviert gegenüber ausländischen Arbeitskräften war. Hinzu kam 1961 der Konkurs des Automobilherstellers Borgward. Dort wurden auf einen Schlag 14.000 Leute entlassen, dies war ein erster Riss in der Wirtschaftswunder-Ideologie, nach der es immer nur bergauf ging. Trotzdem waren die nach zwei Jahren alle wieder im Arbeitsmarkt integriert. Bis dahin wurden nur wenige ausländische Arbeiter angeworben. Erst ab 1964 sind Bremer Unternehmen verstärkt in die Anwerbeländer gegangen, hauptsächlich in die Türkei.
Wie lief diese Anwerbung ab?
Vortrag „Bürgermeister Kaisen und die Arbeitsmigration der 1950/60er Jahre“, Sonntag, 10.30 Uhr, Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Die Entscheidung lag bei den Arbeitgebern, der Transport nach Bremen wurde mit Nahverkehrszügen organisiert. Es war ein Riesenaufwand für einen Einjahresvertrag. Es kam zu entwürdigenden medizinischen Untersuchungen in den Herkunftsländern. Dies ist vor allem in der ersten Generation der Gastarbeiter noch immer im Bewusstsein.
Wie hat Bürgermeister Wilhelm Kaisen diese Arbeitsmigration beeinflusst?
Von Seiten der Politik gab es zu diesem Thema wenig Initiative, die Arbeitgeber hatten freie Hand. Bei der Recherche zur Wirtschaftspolitik von Kaisen war ich erstaunt, dass es keine Appelle von Seiten der Politik gab, etwas für diese Leute zu tun. Das Thema Gastarbeiter unterstand dem Arbeitsamt, nicht dem Bürgermeister. Präziser als Vortragstitel wäre deswegen wohl „Arbeitsmigration in der Kaisen-Ära“.
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