heute in bremen: „Ein völlig konträres Bild“
taz: Herr Schmitz, Sie sind in Deutschland aufgewachsen. Wie trug ihre Freundschaft mit dem syrischen Geflüchteten Soumar Abdullah zum Verständnis Ihres Heimatlandes bei?
Florian Schmitz: Als Mensch aus einem linken Umfeld habe ich die positiven Aspekte Deutschlands aus den Augen verloren. Es gibt Probleme wie den Abbau des Sozialstaats. Doch durch den Kontakt mit Soumar und die Tätigkeit als Griechenlandkorrespondent wurde mir klar, dass Menschen in Deutschland viele Vorteile gegenüber Menschen in Ländern wie Griechenland haben: der Stand der Meinungsfreiheit beispielsweise oder der verhältnismäßig geringe Einfluss der Kirche.
Wie kamen Sie beide auf die Idee, die Erfahrung Ihrer Freundschaft gemeinsam aufzuschreiben?
Im Kontakt mit Soumar habe ich viele Aspekte erfahren, von denen ich nichts wusste. Ein Beispiel ist meine Befürchtung gewesen, dass Soumar von den deutschen Behörden keine Hilfe zu erwarten habe. Das hat sich nicht bestätigt. Soumars Erfahrung war, dass die Leute extrem nett zu ihm waren. Das habe ich nicht erwartet. Soumar hat ein Bild der deutschen Gesellschaft gezeichnet, das völlig konträr zu meinem war.
Wie erleben Sie Bremen? Soumar lebt ja hier …
Ich habe Bremen einzig durch das Buch kennengelernt. Seitdem war ich innerhalb kurzer Zeit sieben Mal dort. Ich habe mich dort vom ersten Moment an wohl gefühlt. Die Mischung aus Weltgewandtheit und Gemütlichkeit habe ich sehr genossen.
Ihr Buch erzählt die Geschichte einer transnationalen Freundschaft. Soll es auch Motivation sein, sich politisch für eine offene Gesellschaft einzusetzen?
Lesung „Erzähl mir von Deutschland – Wie mir ein syrischer Flüchtling mein Land näherbrachte“ mit Soumar Abdullah und Florian Schmitz. 19 Uhr, Stadtbibliothek, Am Wall 201
Das Buch will ein Beispiel sein. Zu einer offenen Gesellschaft gibt es keine Alternative. Für uns war wichtig, dass man sich auf Augenhöhe einlassen muss, wie in einer Freundschaft. Die offene Gesellschaft ist Realität und davon profitiert Deutschland sehr. Sich jetzt abzuschotten, wie von einigen Ideologen gefordert, entspricht nicht den Realitäten, weder wirtschaftlich, sozial noch kulturell.
Interview: Dominik Koos
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen