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heute in Bremen„Die Stimmung ist nicht mehr wohlwollend“

UNSCHULDIGE KINDER Beim Verein Fluchtraum sinkt die Zahl der Ehrenamtlichen, die unbegleitete Flüchtlingskinder unterstützen wollen

Foto: Privat
Sylvia Pfeiffer

28, ist seit 2013 Mitarbeiterin beim Verein Fluchtraum Bremen, der VormünderInnen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vermittelt. Sie ist selbst Mentorin für einen jungen Geflüchteten.

taz: Frau Pfeiffer, viele Kinder und Jugendliche kommen nach ihrer Flucht in Bremen an. Woher flüchten sie?

Sylvia Pfeiffer: Das ist unterschiedlich. Viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kommen aus Syrien und Afghanistan, viele aber auch aus Somalia, Gambia und Guinea. Oft sind die Fluchtursachen die gleichen, wie bei den Erwachsenen – Krieg, Hunger oder wirtschaftliche Not. Aber es gibt auch kinderspezifische Fluchtgründe.

Und zwar?

Männliche Jugendliche flüchten davor, als Kindersoldaten rekrutiert zu werden, Mädchen von sexualisierter Gewalt, also Genitalverstümmelung und Zwangsheirat.

Am heutigen 28. Dezember wird in den christlichen Kirchen das „Fest der unschuldigen Kinder“ gefeiert, das an den Kindermord in Bethlehem erinnert und heutzutage mit einer Mahnung zur Achtung des Kindeswohls verbunden ist. Spüren Sie derlei christliche Nächstenliebe bei Ihrer Arbeit?

Grundsätzlich ja. 2015 haben wir bei Fluchtraum unglaublich viele neue Ehrenamtliche gewonnen, die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterstützen wollten und die die Überforderung des Jugendhilfe- und des Schulsystems aufgefangen haben. Mittlerweile merken wir allerdings, dass die Zahl der Ehrenamtlichen zurückgeht.

Woran liegt das?

Unter anderem an den schlimmen Vorfällen, über die berichtet wurde. Die Stimmung ist nicht mehr so wohlwollend.

Die Berichterstattung über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hat also Auswirkung auf Ihre Arbeit?

Ja, definitiv: Wir bekommen E-Mails von Leuten, die uns bepöbeln, dass wir kriminelle Jugendliche unterstützen würden. In Einzelgesprächen mit Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, mehren sich Fragen zu Kriminalität, Drogen und sexuellen Übergriffen.

Auch weil man durch manche Berichterstattung den Eindruck gewinnen könnte, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge würden zum Synonym für „Verbrecher“?

Ja. Dabei werden sie delinquent wie alle Jugendliche auf der Welt – was nichts mit der Herkunft, sondern ihrer sozialen Situation zu tun hat. Es sind Jugendliche in einer Notsituation, sie sind traumatisiert, in finanzieller Abhängigkeit, müssen ihre Flucht bezahlen und ihre Familien unterstützen. Prozentual ist die Zahl derer, die straffällig werden, aber nicht größer als bei Jugendlichen, die hier aufgewachsen sind. In Bremen wird immer wieder von etwa 30 Intensivtätern gesprochen, die in Erscheinung getreten sind – 30 von etwa 2.000 unbegleiteten Flüchtlingskindern in Bremen.

Berichten die Vormünder und Mentoren bei Fluchtraum von vielen Problemen?

Eigentlich nicht. Einige Ehrenamtliche erzählen von Diskussionen mit ihren Mündeln über Religion, Frauenbilder oder die Sicht auf Homosexualität. Die Jugendlichen fragen und müssen zum Teil auch aufgeklärt werden, wie es sich mit der Sexualität verhält.

Sie sprachen von einer Überforderung des Hilfesystems. Wie meinen Sie das?

Im Sommer 2015 gab es viel zu wenig Jugendhilfeplätze, nicht genügen amtliche Vormünder und nicht genug Schulplätze. Viele Jugendliche mussten nach Ihrer Ankunft sehr lange auf Hilfe warten.

Und heute?

Mittlerweile ist die Situation entspannt. Aber die Jugendlichen werden auch weniger, weil sie nach der A-nkunft oft in andere Bundesländer verteilt werden. Interview: jpb

www.fluchtraum-bremen.de

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