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heute in Bremen„Prostitution wird verharmlost“

Lesung Die irische Autorin und Ex-Prostituierte Rachel Moran liest in Bremen

Ankica Schulte

46, ist eine Vertreterin der Bremer Gruppe von Terre des Femmes.

taz: Frau Schulte, Sie haben die Autorin Rachel Moran nach Bremen geholt. Was interessiert Terre des Femmes an ihrer Publikation?

Ankica Schulte: Terre des Femmes vertritt ebenfalls die Position, dass Prostitution abgeschafft werden muss, weil sie ein Gewaltverhältnis ist. Moran schreibt nicht nur aus ihrem eigenen Lebenslauf, sondern sie analysiert das ganze Gewerbe. 2002 wurde Prostitution legalisiert und als Beruf anerkannt. Bremer Gleichstellungsbeauftragte sprechen sich für eine Entkriminalisierung aus …

In Deutschland ist die Stimmung eher so: Wenn sie es freiwillig machen, ist ja nichts dabei. Prostitution wird verharmlost und verklärt als Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Die physischen und psychischen Schäden werden ausgeblendet. Dabei sind die Profiteure nicht die Männer und Frauen in der Prostitution, sondern Zuhälter und Bordellbetreiber. Die machen das Geschäft, geschädigt zurück bleiben die Betroffenen. Wir sind für eine freie Sexualität von Frauen und nicht, dass sie dafür bezahlt werden.

Sie und Rachel Moran fordern ein grundsätzliches Sexkaufverbot. Was spricht für die Kriminalisierung?

Beim Sexkaufverbot sollen auch die Freier zur Rechenschaft gezogen werden. Im „Nordischen Modell“ werden nur die Sexkäufer bestraft. Denn die schaffen die Prostitution durch die Nachfrage. Wir wollen natürlich nicht, dass die Prostituierten stigmatisiert werden. Wir möchten, dass die Verursacher dieses Marktes und andere Profiteure gebrandmarkt werden. Mit einem Sexkaufverbot kann man Prostitution nicht abschaffen, aber eindämmen. Es ist ein langfristiges Mittel, um eine Bewusstseinsveränderung in der Gesellschaft durchzusetzen.

Rachel Moran wurde mit 15 Jahren Prostituierte, nachdem die Verhältnisse in ihrem Elternhaus unerträglich geworden waren. Hätte ein Prostitutionsverbot sie geschützt oder vielmehr in die Illegalität gedrängt?

Es geht um ein Sexkaufverbot. Prostitutionsverbot hieße ja, dass auch die Prostituierten belangt werden. Das wird oft verwechselt.

Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass Frauen in der Prostitution geschädigt werden, auch ohne dass es ihnen bewusst ist?

Es mag individuelle Unterschiede geben, aber Prostitution an sich schädigt Frauen körperlich und psychisch. Und es schädigt die Gesellschaft, weil Frauen als jederzeit verfügbar dargestellt werden.

Interview: Elisabeth Nöfer

Zweisprachige Lesung: „Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution“, 19 Uhr, Zentralbibliothek, Wall-Saal

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