piwik no script img

heute in Bremen„Lernen, nein zu sagen“

Vortrag Sexualpädagogin Maren Kick spricht über frühkindliche Sexualität im Alter von 0 bis 6

Foto: xy
Maren Kick

45, ist Sexualpädagogin bei der Beratungsstelle pro familia Bremen-Nord.

taz: Frau Kick, was ist frühkindliche Sexualität?

Maren Kick: Kinder verspüren eine spontane und unbefangene Neugierde auf den eigenen Körper und die anderer Kinder. Sieunterscheiden sich da stark von Erwachsenen, bei denen Erregung, Entspannung und Libido im Vordergrund stehen. Bei Kindern geht es um sinnliche Nähe und Entdeckungsfreude.

Gibt es in der Entwicklung Regelmäßigkeiten, die häufig vorkommen?

Doktorspiele oder Vater-Mutter-Kind-Spiele kommen häufig vor. Sobald die Arme lang genug sind, spielen Kindern an ihren Genitalien. Sie merken, dass sich das schön anfühlen kann.

Wie wichtig ist ein ungezwungener Umgang damit?

Solche Spiele sind dabei wichtig. Kinder lernen dadurch, Nähe einzugehen und zuzulassen. Sie lernen aber auch, sich abzugrenzen und sich zu artikulieren, wenn es zu viel wird. Es ist die beste Präventionsarbeit zu sexueller Gewalt: Kinder haben Worte dafür und lernen, nein zu sagen.

Welche Grenzen sollten Eltern und ErzieherInnen ziehen?

Auch dreijährige Kinder können lernen, Regeln bei Doktorspielen einzuhalten. Es sollten keine spitzen und scharfen Gegenstände in Körperöffnungen für Untersuchungen gesteckt werden, wenn die Kinder Fiebermessen nachspielen. Der Altersunterschied sollte maximal anderthalb Jahre betragen. Wenn jemand nein sagt, muss man aufhören.

Wie sollten Erwachsene eingreifen?

Sie sollten besonnen reagieren, ohne die Kinder dabei zu erschrecken. Sie sollten sich im Zweifelsfall fragen, was denn Schlimmes passieren kann, wenn zwei Kinder Spaß haben.

Manche beklagen eine vorschnelle Sexualisierung von Kindern. Was ist da dran?

Ich weiß aus sexualwissenschaftlicher Sicht, dass kindliche Entdeckungsfreude einen natürlichen Verlauf hat. Wenn ich sie darüber im Dunkeln lasse, ist Sexualität etwas Verbotenes. Es wird dann verschwiegen. Man sollte Dinge so früh wie möglich benennen. Kinder möchten wissen, dass Mama und Papa Liebe gemacht haben und sie deshalb auf der Welt sind. Man muss ihnen ja nicht gleich Details erzählen.

Fällt es Eltern schwer, darüber zu reden?

Das kommt drauf an, wie die Eltern sozialisiert sind. Wer rigide erzogen wurde, hat Probleme, Sexualität normal in die Erziehung einfließen zu lassen.

Werden schnell Schamgefühle bei Kindern aufgebaut?

Ja. Wenn man Kindern Sexualität verbietet, werden sie verschreckt und sind in ihrer Entwicklung gehemmt. Kinder haben das Bedürfnis, auch wenn sie es zu Hause nicht ausleben dürfen. Das führt zu einem inneren Zwiespalt. Eltern müssen wissen, dass kindliche Sexualität existiert und bis zu einer gewissen Grenze normal ist.

Interview: Sebastian Krüger

20 Uhr, Weserstr. 35, Voranmeldung: 0421/654333 oder unter bremen-nord@profamilia.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen