heute in Bremen: „Viele sind erstaunt“
SELBSTVERSUCH Die Johanniter Unfallhilfe lädt ein zur Erprobung eines Demenzparcours
leitet den Bewohnertreff „Auf der Düne“ in Gröpelingen. Träger ist die Johanniter Unfallhilfe.
taz: Frau Rosenberger, Sie laden zum Erproben eines Demenz-Parcours ein. Was ist das?
Nicole Rosenberger: Der Parcours besteht aus Spiegeln, die überall im Raum auf verschiedenen Höhen angebracht sind und eine stark verzerrende Wirkung haben.
Was hat das mit Demenz zu tun?
Wenn man in einen solchen Spiegel schaut und dann versucht, zum Beispiel einen Reissverschluss zu schließen, einen Schnürsenkel zu binden oder auch einfach nur nach einem Glas zu greifen, wird man meistens frustrierende Erfahrungen machen. Damit soll ansatzweise nacherlebbar sein, wie es Demenzkranken oft in ihrem Alltag ergeht.
Aber Demenz hat doch eher etwas mit Gedächtnis und Orientierung zu tun, nicht mit verzerrter Optik.
Natürlich sind die Formen von Demenz breit gefächert. Aber das, was im Hirn eines Demenzkranken passiert und sich als konkrete Unfähigkeit, Alltagshandlungen auszuführen, auswirkt, soll mit den Zerrspiegeln in etwa simuliert werden. Worauf wir hinaus wollen, ist die emotionale Erfahrung: Wie fühle ich mich, wenn mir eigentlich selbstverständliche Dinge immer wieder misslingen?
Zum Beispiel mit Wut.
Oder mit Rückzug. Viele, die den Parcours ausprobieren, sind erstaunt, wie heftig sie auf die Frustrationserfahrung reagieren. Und das führt durchaus zu mehr Verständnis für das Verhalten demenzkranker Angehöriger. Zugleich gibt es auch Selbstreflektionen, manche sagen: Hoffentlich reagiere ich nicht so wütend, wenn ich selbst mal dement bin.
Wie reagieren Sie auf die eindrücklichen Erfahrungen der Parcours-Teilnehmer?
Wir bieten direkt vor Ort Beratung an und informieren über verschiedene Hilfsangebote, auch zur Entlastung Angehöriger. Interview: Henning Bleyl
Offenes Beratungscafé: 10 bis 14 Uhr. Demenzparcours: 13 Uhr. Auf der Düne 9. Kurzfristige Anmeldungen sind unter 0421 – 55 15 00 möglich
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