hamburger szene von Jan Kahlcke: Anfangsverdacht
Es muss derbe langweilig sein. Seit Wochen stehen an den Messehallen alle paar Meter Mannschaftswagen der Polizei. Darin sitzen rund um die Uhr PolizistInnen. Meist bei laufendem Motor. Und was tun sie da? Nichts. Wenn nicht gerade ein paar Linke des Weges kommen, deren Personalien man kontrollieren kann. Neulich sprinte ich zur U-Bahn. Die Ampel ist rot. „Möööp“, hupen mich die Polizisten an. Aber deswegen gleich aussteigen? Och nö.
Nachts ist schon eher mal was los. Zum Beispiel vor dem Marathon: Da komme ich nach Hause und sehe ein paar PolizistInnen im angeregten Gespräch mit drei Jugendlichen. Es riecht nach frischer Sprühfarbe. Ich schaue mir die Szene eine Weile an und als nichts passiert, will ich gehen. Ich drehe gerade den Haustürschlüssel herum, da höre ich hinter mir: „Hallo, schöngutnabnd.“ Äh – auch hallo. „Dürfen wir mal in Ihre Tasche sehen?“, fragt der Polizist, nicht unfreundlich. Es möge ja komisch klingen, aber alles sei ja noch ganz frisch. Und aus meiner Tasche sei so ein Klacken zu hören gewesen, wie von der Kugel einer Sprühdose.
Ich habe beide Hände voll und neben meiner Tasche einen Schulranzen umgehängt. „Na gut“, höre ich mich sagen, „aber aufmachen müssen Sie die selbst.“ Der Polizist antwortet: „Das dürfen wir leider nicht.“ „Tja“, sage ich, „dann dürfen Sie das wohl nicht.“ Er spricht plötzlich viel schneller: „WirkönnSieauchmitnehm“, sagt er. „Begründeten Anfangsverdacht hamwirja.“ Ich spiele das kurz durch: Mit auf die Wache gehen? Wie lange mag das dauern? Darf ich überhaupt telefonieren und meiner Frau sagen, dass sie das Kind schon mal ins Bett bringen soll? Nee, klingt nervig. „Na gut“, sage ich und stelle alles ab. Ich zeige ihm erst den Ranzen: Hefte, Federtasche, Trinkflasche – Moment…? Ja, nur eine Trinkflasche. Herrje, wie soll das werden, wenn der G20-Gipfel wirklich losgeht? Dann kommt meine Tasche mit den zwei Flaschen Sherry dran, die eben so geklackert haben. Der Mann ist zufrieden, sagt: „Alles klar, schönen Abend noch.“
Auf dem Stück Kunst im öffentlichen Raum vor unserer Tür, das sowieso immer über und über vollgesprayt ist, hat sich übrigens ein Marathon-Laufteam mit goldener Sprühfarbe verewigt. Mit dem originellen Slogan „Go for Gold“. Ich bin jetzt ernstlich sauer. Sehe ich etwa aus, als könnte ich einer von diesen Spinnern sein?
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