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gysi zurückgetretenGysi ausgeflogen, PDS, wohin?

Größer kann eine Überraschung nicht sein: Aus heiterem Himmerl verkündet Gregor Gyi seinen Rücktritt als Wirtschaftssenator in Berlin. Auch wenn er das jetzt sagt: Gysi ist nicht über die private Nutzung von durch Dienstreisen erworbenen Lufthansa-Bonusmeilen gestolpert. Diese Vorgänge sind vergleichsweise läppisch. Seine Flugaffäre war seit zwei Tagen ausgestanden. Nein, Miles&More waren nicht der Grund für Gysis Rücktritt. Sie waren nur ein willkommener Anlass.

Kommentarvon ROBIN ALEXANDER

Gysi hat schon ganz andere Sachen durchgestanden: Eine Kommission des Bundestages hatte ihn 1998 offiziell zum „Stasispitzel“ erklärt. Der Rechtsanwalt aus Leidenschaft kämpfte dagegen vor Gerichten, litt aber wie ein Hund. Aber er machte weiter. Denn er hatte eine Mission. Der letzte Parteivorsitzende der SED wollte die ehemalige Staatspartei reformieren und in einen anderen Staat retten. Gysi hat wie kein anderer dazu beigetragen, die Existenz der PDS in der Bundesrepublik zu ermöglichen. Kein anderer hätte vollbringen können, was nicht nur seinen Gegnern wie die größte Rosstäuschung der deutschen Geschichte erschien: Die alte Betonpartei gab sich jung, die Autoritären gaben sich frech, die Mauersozialisten spielten linksalternativ.

Und es hat geklappt. Vor dem Hintergrund der fortexistierenden Unterschiede zwischen Ost und West und der auseinander driftenden Identitäten schaffte die PDS dreimal den Einzug in den Bundestag. Heute regiert sie in drei Bundesländern mit. Gysi war auf dem Gipfel des Erfolgs und wollte aufhören.

Aber noch schien die Mission nicht beendet. Gysi ließ sich überreden, für die rot-rote Koalition in Berlin in den Ring zu steigen. Wieder hatte er Erfolg, aber dieser Erfolg hat ihn überfordert.

Ein Gysi, der schon im Bundestag der Kleinteiligkeit, Spießigkeit und auch der Gemeinheit einer Tagespolitk unter seinem Niveau müde war, traf nun in Berlin auf eine Stadtpolitik, in der Geist mindestens so knapp ist wie Geld.

Für die Sozialisten ist dieser Rücktritt wirklich tragisch. Es ist, als hätten 1998 Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder auf einmal die SPD verlassen. Niemand ist in der PDS auch nur entfernt in Sicht, der Reformer, Idealisten und DDR-Heimatvertriebene zusammenhalten kann. Der heimliche Vorsitzende Gysi schaffte dies nur dank seiner Persönlichkeit, die im historischen Umbruch wuchs. Die PDS hat den Untergang der DDR überlebt. Überlebt sie auch diesen Abgang ihres Kapitäns?

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