grundgesetz: Tierschutz kommt, Schächten bleibt
Es war nur eine Frage der Zeit und der Zähigkeit. Früher oder später, das war klar, würde der Tierschutz im Grundgesetz stehen. Wenn konstant 80 Prozent der Bevölkerung dafür sind, musste selbst die CDU/CSU nachgeben. Gestern nun kam die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag zustande.
Kommentarvon CHRISTIAN RATH
„Endlich“, sagen Tierschützer, SPD und Grüne – und hätten doch auch gut damit leben können, wenn sich die CDU weiter verweigert hätte. Denn für Rot-Grün wäre das ein gutes Wahlkampfthema gewesen. Die Tierschützer hingegen hätten sich weiter gegenüber der vermeintlich unwilligen Politik profilieren können. Das Staatsziel Tierschutz ist nicht mehr als ein Symbol, das populäre Stimmungen bedient.
Für die Tiere ändert diese Verfassungsänderung jedenfalls nichts. Auch die Befürworter taten sich mit stichhaltigen Beispielen für die Nützlichkeit der Verfassungsänderung schwer. Schließlich war der Tierschutz – gerade wegen der politischen Stimmung in Deutschland – schon immer ein „Gemeinwohlbelang“ bei der Schaffung und Anwendung von Gesetzen.
Als Anlass, ihre Position zu ändern, nahm die CDU das Karlsruher Urteil zum Schächten. Aber auch das hatte mehr mit der politischen Atmosphäre als mit juristischen Gründen zu tun. Denn das Verfassungsgericht wird in dieser Frage wohl auch künftig nicht anders entscheiden. Und zwar nicht nur, weil die individuelle Religionsfreiheit der Muslime auch gegenüber einem Staatsziel Tierschutz Vorrang hat.
Nein, Karlsruhe hat sogar bezweifelt, dass das Verbot des betäubungslosen Schlachtens überhaupt mit dem Tierschutz begründet werden kann. Es sei nämlich keineswegs wissenschaftlich erwiesen, dass diese Schlachtart den Tieren mehr Leiden bereitet als das Schlachten in „christlichen“ Schlachthöfen. Es lag für Karlsruhe sogar näher, das Schächtverbot ganz aufzuheben, als es auch gegenüber Muslimen durchzusetzen.
Man kann dies als klaren Wink an die Tierschützer verstehen, sich lieber Themen zuzuwenden, die nicht mit Vorurteilen gegen andere Kulturen spielen. Wer sich mit dem Schicksal der jährlich 40 Millionen Schlachttiere in Deutschland befasst, hat genug Anlass, auf möglichst schonende Bedingungen zu achten – und zwar unabhängig von der Schlachtmethode. Und wenn die Grundgesetzänderung hierfür eine moralische Stärkung bietet, umso besser.
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