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grüne und ökosteuerTaktisch klug, aber feige

„Die Ökosteuer ist keine simple Benzinsteuer, die Verengung darauf wird ihren Zielen und Aufgaben nicht gerecht.“ Fast flehentlich klingt dieser Satz auf Seite drei des neuen Positionspapiers der Grünen.

Von Anfang an stand die Ökosteuer im Schatten der Benzinpreisdiskussion. Erst recht, als der Kanzler im Frühjahr erklärte, die Steuer auf Benzin solle nach 2003 nicht mehr steigen. Was folgte, waren widersprüchliche Äußerungen des grünen Parteichefs Fritz Kuhn und ein mehrfach verschobener Veröffentlichungstermin für das neue Ökosteuerkonzept der Grünen.

Kommentarvon MATTHIAS URBACH

Nun liegt das grüne Konzept vor – und es ist kaum anders als das alte. Es sieht nicht vor, von der Benzinsteuer abzurücken, wie es Kuhn einmal als möglich skizzierte. Und es will auch nicht die Steuereinnahmen in großem Stil in Umweltprojekte umlenken, wie Kuhn es ebenfalls mehrfach vorgeschlagen hatte.

Stattdessen soll das zusätzliche Aufkommen nicht mehr in die Rente gehen, sondern in die Arbeitslosenversicherung. Das ist sinnvoll, schließlich fließen bereits mehr als 20 Milliarden Mark aus der Ökosteuer in die Rente – und ein bisschen Reformdruck dort kann nicht schaden. Außerdem soll der Mehrwertsteuersatz für Bahn, Taxis und Carsharing halbiert werden. Eine gute Idee, denn das ist eine sichtbare Förderung von Alternativen zum Auto.

Nun zur Frage, auf die sich alle stürzen werden: Wie halten es die Grünen mit dem Benzinpreis? Auch dort soll die Ökosteuer steigen. Nur um wie viel, das lässt das Papier offen. „Stetigkeit geht vor Höhe“, heißt es da – und „entscheidend ist die ökologische Lenkungswirkung“. Das kann alles bedeuten, von einem bis zu zehn Pfennig im Jahr.

Es zeugt nicht von Selbstbewusstsein, dass die Grünen dem „Nein“ des Kanzlers keinen konkreten Betrag für die Benzinsteuer entgegensetzen. Der Hinweis, dass man die Energiepreise nach der Wahl berücksichtigen wolle, ist nur eine Ausrede. Eine Ökosteuer zielt im Idealfall auf Zeiträume von fünf bis zehn Jahren – Börse und Opec aber verändern den Preis von Monat zu Monat. Und zuweilen um ein Vielfaches des derzeitigen Ökosteuersatzes von sechs Pfennig, wie das letzte Jahr eindrucksvoll zeigte.

Das Papier demonstriert vor allem eines: Die Grünen wollen sich im Wahlkampf keine Flanke leisten, wollen nicht auf das Wutthema Ökosteuer reduziert werden. Das kann man taktisch geschickt nennen, aber auch ein bisschen feige. Schade, denn ansonsten ist das Konzept solide.

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