großraumdisco: Top Laune war garantiert auf dem Platz (es trat ja ein Team dieses Namens an)
Bikepolo ist ein rasanter Sport, bei dem es um Balance und Einfallsreichtum beim Finden der Teamnamen geht. Besuch bei einem Berliner Turnier
Leider kommt es am Ende nicht zu einem Showdown zwischen Tofustulle und Bockwurst. Auch Franzbrötchen und Pizza fliegen schon in der Vorrunde raus. Essen jedenfalls gibt es reichlich am letzten Juliwochenende auf dem Tempelhofer Feld, zumindest in Form von Teamnamen. 48 Teams aus Deutschland, Europa und der Welt treten beim Berlin:mixed-Bikepolo-Turnier gegeneinander an.
Und das sieht so aus: Die Teams – je drei Personen, mindestens zwei Geschlechter müssen vertreten sein, deshalb „mixed“ – stellen sich mit ihren Singlespeed-Rädern jeweils hinter ihren Toren auf. Wenn der Anpfiff ertönt, rasen sie los, um als Erste an den roten Ball zu kommen, der in der Mitte des Spielfeldes liegt. In der Hand halten sie einen Schläger, an dessen Ende eine Art Buchse befestigt ist, mit der sie den Ball einsammeln oder schlagen können. Die Beine dürfen nicht auf den Boden, für die Balance können sie sich mit dem Schläger oder an der Bande abstützen. Eine Partie dauert knapp 15 Minuten. Gibt es bis dahin einen Gleichstand, gewinnt anschließend, wer das „Golden Goal“ erzielt. Das Spiel erinnert entfernt an Hockey.
Das Turnier beginnt am Freitag früh um 8.30 Uhr, jeweils drei Spiele laufen parallel. Top Laune tritt gegen Mais Oui an, FlitzFixFritz gegen Franzbrötchen Reloaded, Tranquilo gegen Hot to Go. Alles wirkt ein bisschen selfmade: Wer gerade nicht spielt, stellt eine*n Schiedsrichter*in, zusätzliche Torrichter*innen werden per Zuruf bestimmt. Weitere Orga läuft über eine Telegram-Gruppe. Da fragen Spieler*innen auch, ob jemand einen Fahrradschlauch mitbringen kann, oder suchen verlorene Gegenstände. Wer nicht vor Ort ist, kann Spiele live per Youtube-Stream verfolgen.
Die Zuschauer*innen gehören an diesem Morgen mehrheitlich einem der übrigen Teams an, erkennbar an meist selbst gestalteten Trikots sowie an Caps mit kurzem Schirm, wie sie vor allem Fahrradkuriere tragen. Aber schließlich ist es noch früh, und selbst in Berlin muss die eine und der andere freitagvormittags noch arbeiten.
Im Hintergrund läuft Punkmusik. Ein erstes Tor fällt, das Publikum klopft mit der flachen Hand gegen die Bande. Auf Feld B geht es langsam und gemächlich zu, auf Feld A wesentlich rasanter. Dass hier die besseren Spieler*innen auf den Rädern sitzen, sieht man auch daran, dass sich mehr Publikum am Rand versammelt hat. Hier treten Dodi, Elena und Ladina (ohne Teamnamen) gegen Dracula an, im gelben Trikot, schließlich sind unter ihnen die Gewinner des Vorjahres.
Welches Team gerade spielt, lässt sich zu Anfang noch online per Google Sheet verfolgen, doch schon am Samstag werden die vielen Tabellen nicht mehr konsequent ausgefüllt. Es gilt, was mit Edding auf eine Tafel am Orga-Stand geschrieben wird.
Radpolo
war wenigstens ein Demonstrationsspiel lang 1908 mal olympisch (Irland besiegte das deutsche Team mit 3:1) und darf als Bikepolo mittlerweile doch als etablierter Trendport gelten. In Berlin gibt es jeden ersten Mittwoch im Monat in Lichtenberg (Stadion Friedrichsfelde) ein Schnuppertraining für Anfänger*innen.
Am Sonntag treten nur noch die Top 32 gegeneinander an. Am Nachmittag kommt in diesem verregneten Berliner Juli die Sonne heraus. Per Durchsage werden 25 Grad verkündet, und – kleiner reminder: „Bitte Sonnencreme benutzen.“ Heute ist das Publikum diverser, Feldbesucher*innen machen Halt am Spielfeldrand, viele kleine Kinder sind darunter.
Man sieht, dass die Spieler*innen schon zweieinhalb volle Spieltage hinter sich haben, aber auch, dass jetzt die K.-o.-Runde begonnen hat. Obwohl es hier vor allem um den Spaß geht; gewinnen wollen sie trotzdem. Die Angriffe werden risikoreicher, die Schläge härter, die Stürze häufen sich. Ein Spiel muss unterbrochen werden, weil einem Rad Luft fehlt. Ein Schläger bricht in der Mitte entzwei, wird in hohem Bogen aus dem Feld geworfen, Ersatz angereicht. Ein Ball bleibt zwischen den Speichen stecken, ein anderer fliegt zwischen die Zuschauenden.
Als Crispy Duck im Halbfinale gegen Das stimmt verliert, schleudert einer der Spieler sein Rad wütend – oder enttäuscht? – mit voller Wucht auf den Boden. (Zum Glück ist es kein Pferd.) Kurz darauf fegt Variable die Vorjahressieger*innen von Dracula vom Platz, tritt dann im Finale gegen Das stimmt an – und siegt. Weiter geht’s im nächsten Jahr. Johanna Treblin
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