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gesellschaftskritikDie alten Inder haben das Internet erfunden

Hindunationalisten reklamieren ihre kulturelle Überlegenheit

Internet und Satelliten wurden vor Tausenden Jahren in Indien erfunden. Das verkündete im Brustton der Überzeugung eines Menschen, der die Götter auf seiner Seite glaubt, Bilap Deb. Genau sagte der Chefminister (CM) des indischen Bundesstaats Tripura: „Internet und Satelliten existierten schon in den Tagen des Mahabharata.“

Eine zentrale Geschichte in dem vor gut 2.400 Jahren entstandenen Epos ist die über die Schlacht von Kurukshetra. Ohne Internet und Satelliten, so Deb, habe der Wagenlenker Sanjaya dem blinden König Dhritarashtra niemals seine immens präzisen Lageberichte von der Front liefern können.

Deb gehört der hindunationalistischen Bharatiya Janata Partei (BJP) an, die in Neu Delhi sowie in den meisten indischen Bundesstaaten regiert. Das Programm der BJP als politischer Arm hinduextremistischer Organisationen kann getrost mit „Hindus first“ zusammenfassen. Die Hindunationalisten streben die Errichtung eines hinduistischen Gottesstaates an.

Chefminister Deb ist beileibe nicht der erste hindunationalistische Politiker, der zum Beweis für die religiös-kulturelle Überlegenheit der Hindus antike Göttersagen bemüht. Und damit indirekt auch die zunehmende Gewalt der Hindufanatiker gegen religiöse Minderheiten rechtfertigt. 2014 diagnostizierte Premierminister Narendra Modi in einer Rede vor Ärzten in Mumbai, die kosmetische Chirurgie sei im alten Indien erfunden worden. Ohne die Kunst von Schönheitsärzten, so Modi allen Ernstes, sei der Elefantengott Ganesha in Gestalt eines beleibten Mannes mit Elefantenkopf nicht möglich.

Für Vijay Rupani, Chefminister von Gujarat, sind die Pfeile des Gottes Ram Vorläufer moderner Raketen. Bildungsminister Satyapal Singh dozierte im vergangenen Jahr, die erste Erwähnung eines Flugzeuges finde sich in der Ramanya. In dem uralten Götter- und Heldenepos finden sich keine Flugzeuge, dafür aber so viele Prinzen, Prinzessinnen, Könige, Götter, Halbgötter, Affengötter und intrigante Verwandte, dass die Nibelungen wie ein Kammerstück wirken.

Das säkulare, aufgeklärte Indien reagiert mit Spott und Entsetzen auf Deb & Co. Eine Rupa Subramanya twitterte: „Die antiintellektuelle und rückwärtsgewandte Strömung in Teilen der BJP erstaunt und verstört immer wieder aufs Neue. Lächerlich und peinlich.“ Im Tweet eines Indrajit Kundu heißt es: „Kurz nach CM Biplab Deb’s #Mahabharata Behauptung wurde in #Tripura ein antiker USB-Stick ausgegraben.“ Michael Lenz

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