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genuas brutale polizeiDer wahre schwarze Block

Alle waren gut bewaffnet, die meisten auch maskiert, sie konnten tagelang ihr Werk der Gewalt verrichten, jeder auf eigne Faust, denn die schlagkräftigen Trupps agierten ohne Koordination. Drei Tage anarchische Gewalt in Genua – was sich wie eine Schilderung des schwarzen Blocks liest, ist der Befund der italienischen Regierungsinspektoren zu den Polizeieinsätzen in der Stadt.

Kommentarvon MICHAEL BRAUN

Da drei der höchsten Chefs es angeblich sträflich versäumten, ihre Untergebenen im Zaum zu halten, müssen sie jetzt gehen. Dies ist die Antwort von Berlusconi auf die anschwellende Kritik in Italien wie in Europa – und die Antwort ist ebenso bestürzend wie bequem.

Bestürzend, weil die Inspektoren regierungsoffiziell so gut wie alle Vorwürfe bestätigen, die von den Opfern erhoben wurden: Polizisten haben eine „Hausdurchsuchung“ zum Schlachtfest eskalieren lassen, Demonstranten krankenhausreif geschlagen oder im Polizeigewahrsam einer Kaserne mit südamerikanischen Methoden traktiert.

Bestürzend, weil die Regierung ihre eigenen Stellungnahmen dreist dementiert. Ein paar Polizeichefs sind zwar schuldig. Aber generell gilt weiterhin: Das Gros der Polizisten habe optimal gearbeitet.

Bequemer geht es wirklich nicht. Sollen wir wirklich glauben, die flächendeckende Polizeigewalt in Genua sei bloß das Resultat „mangelnder Koordinierung“? Sollen wir vergessen, dass die Ordnungshüter während des Gewaltgipfels Tag für Tag von der Regierung heißen Dank ausgesprochen bekamen?

Es ist ja schon schlimm genug, wenn hunderttausende Bürger schutzlos dem Wüten von Knüppel schwingenden und CS-Gas verschießenden Beamten ausgeliefert sind, bloß weil die Vorgesetzten angeblich versagten. Und es wäre Grund genug, den Innenminister wegen „Unfähigkeit“ aus dem Amt zu jagen.

Doch Minister Claudio Scajola ist auf der sicheren Seite. Mit der albernen Trennung von „technischer“ und „politischer“ Verantwortung hat er seinen Stuhl gerettet; büßen müssen die strafversetzten Polizeichefs. Mit ihrer Entlassung versucht die Regierung, den wahren Skandal von Genua zu vertuschen. Kein Inspektor hat bisher das Wirken der Carabinieri oder der Finanzpolizei durchleuchtet. In ihrer Brutalität standen diese Truppen der Polizei nicht nach. Herrschte etwa auch bei ihnen Anarchie à la schwarzer Block? Oder waren die Ordnungshüter womöglich allzu gut koordiniert und – von ganz oben – politisch motiviert?

ausland SEITE 9

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