galerie ebensperger: Das Menschliche am Menschen
Eigentlich kommt Heiner Franzen von der Zeichnung. Auf seiner Website lassen sich noch Relikte davon finden. Das humoristische Blatt „Mamas Trick“ zum Beispiel, wo er 2011 mit scheinbar schnellen Strichen eine großköpfige Figur in einem eiligen Moment fixiert. Eile, Moment – die Frage, wie etwas, das sich eigentlich in der Zeit abspielt, in einem Bild festgehalten werden kann, hat bekanntlich eine lange kunsthistorische Tradition. Heiner Franzen stellt sie sich in seiner Arbeit seit Jahren und mittlerweile quer durch die Medien. Dabei geht es ihm nicht mehr nur um die Erfassung von körperlicher Bewegung, sondern um ein bildliches Begreifen eines psychischen oder geistigen Impulses. Da blitzt doch etwas in Mike Tysens Kopf auf, während der Boxer (und Taubenzüchter!) in einem Interview seine Lippen in einer verschmitzten Biegung zum Lächeln formt! In seiner Ausstellung bei Ebensperger zeigt Heiner Franzen diesen Moment aus einem filmischen Mitschnitt des Interviews, digital simuliert und auf 14 Minuten gestreckt. Mike Tysen und sein Tribaltatoo an der Wange erscheinen in der Ein-Kanal-Projektion im Double, zeitlich leicht versetzt. Der Blick schwenkt von Konterfei zu Konterfei und fokussiert jedes muskulöse Zucken, man meint die Synapsensprünge des Boxers sehen zu können, während die eigenen längst ins Flimmern geraten sind. Mit „W A K E“, der zentralen Installation bei Ebensperger, weitet Heiner Franzen seine Momentsuche auf ein komplexes Lichtspiel mit sieben Projektionen aus. In allen Richtungen und auf den schräg in den Raum ragenden Wänden flackert der digitale, in 3-D überführte Mitschnitt vom Kopf des Schauspielers Patrick Magee. Magees Gesicht – isoliert vom Körper – ist in dem Moment festgehalten, als er selber in der Rolle als Marquis de Sade von 1967 in der regungslosen Mimik eines Psychopathen vom Abtrennen anderer Köpfe erzählt. Doch selbst seine Sätze sind zerschnitten, sodass nur noch einzelne Worte aus ihm herauskommen. Mentale Prozesse, das Menschliche am Menschen wird in dieser dunklen wie haarscharf dekonstruierenden Installation Heiner Franzens zu einer technischen Aufzählung. Sophie Jung
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