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funklochwww.gute-tat.de

Oft gilt die Kirche als medienfeindlich. Beim „Wort zum Sonntag“ erzählte vor kurzem ein Pfarrer aus Brandenburg, dass es ja viele Menschen gäbe, die „nicht produktiv genug sind für unsere gestylte Gesellschaft“. Er warnte nicht nur vor Gentechnik, sondern auch vor einem Übermaß an Computertechnologien. Viele Menschen fänden sich in diesen komplizierten Systemen nicht mehr zurecht und begingen dann Selbstmord.

Trotzdem hat die katholische Kirche einen Stand auf der Funkausstellung aufgebaut. „Denn Christus hat gesagt, ruft die Botschaft von den Dächern!“, erklärt Kardinal Georg Sterzinsky, der am Infotisch steht. Und die Medien seien, seiner Meinung nach, mittlerweile das, was früher einmal die Dächer waren.

Kardinal Sterzinsky weiht an diesem Tag die Internet-Seite www.gute-tat.de ein, eine virtuelle Plattform für soziale Projekte. Mit ihrem Auftritt im Netz sollen ehrenamtliche Mitarbeiter von Behindertenwerkstätten und Altenpflegeheimen aus dem schwarzen Loch der Anonymität befreit werden. Eine gute Sache also, findet Georg Sterzinsky. Seine eigene Mediennutzung beschränke sich jedoch darauf, einmal am Tag Nachrichtensendungen zu gucken und ansonsten Klassikradio zu hören.

Auch andere Besucher der IFA entziehen sich den neuen Medien lieber, als sich von den modernen Kommunikationstechnologien vereinnahmen zu lassen. Manche fangen in den Messehallen vormittags mit dem Biertrinken an. Viele hören auch einfach nur den Puhdys zu, die in der klimatisierten Halle 20 auftreten. Müde von der Mediendemokratie streift auch ein Polizist mit einem silbernen Luftballon am Handgelenk zum Fischbrötchenstand.

Man selbst hat genauso schnell genug vom Bildschirmgeflimmer. Andere gute Taten für Sterzinskys neue Internetseite fallen einem ein. Zum Beispiel könnte man die IFA als Abraumhalde patriarchaler Arbeitsverhältnisse abschaffen. Die Studentinnen in den Bikinis müssten sich nicht mehr lächelnd, aber schlecht bezahlt von den Männergruppen mit den Camcordern und Teleobjektiven filmen lassen. Auch die Freisetzung des revolutionären Potenzials der vielen Zettelverteilerinnen wäre anzustreben.

Wahrscheinlich kommt dieser Gedanke, weil einem die Sängerin Christiane Rösinger gestern erzählt hat, dass ihre Band „Britta“ bei einem vor kurzem stattfindenden Volksfest in Wiesbaden im „Frauenzelt“ auftreten musste. Das Zelt war mit Märchenfiguren ausgemalt. Die männlichen Musikgruppen des Volksfestes durften dagegen im viel eleganteren „Musikzelt“ auf der Bühne stehen. Wir fanden das alles mal wieder zum Aus-dem-Fenster-springen.

KIRSTEN KÜPPERS

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