fundgrube: Denkräume, sozial definierte Räume, Begrenzung zwischen innen und außen
„An Architektur“
Wenn etwas anschaulich verdeutlicht werden soll, bedient man sich gern Wörtern, die an ein gewohntes Äußeres erinnern. Dazu gehören Begriffe wie etwa „Landschaft“ und auch „Raum“. Ein Zeitung, die sich laut Untertitel mit „Produktion und Gebrauch gebauter Umwelt“ beschäftigt, muss trotz des Namens An Architektur allerdings nicht zwingend mit greifbaren Begrenzungen zu tun haben.
Die Erzeugung von Räumen heißt hier – um die Schwerpunkte der ersten drei Ausgaben zu benennen – die Präsentation von Denkräumen, von sozial definierten Räumen und die Art von Begrenzung zwischen innen und außen.
Das Heft „Material zu: Henri Lefèbvre“ soll den Anfang einer theoretischen Reihe legen, in der stadttheoretische Texte, architektonische Positionen oder ein Autor respektive eine Autorin im Mittelpunkt stehen. Anhand von Textbearbeitungen, wie die parallele Erläuterung von Schlüsselbegriffen, und referierenden Essays anderer Autoren wird hier der französische Soziologe erneut rezipiert und diskutiert.
In „Grenzgeografie Sangatte“ wird die Veränderung eines begrenzten Gebiets durch die Flüchtlingsproblematik an der französischen Mündung des Eurotunnels dargestellt. Durch das Anwachsen von Hilfesuchenden aus Krisengebieten entstanden zunächst „wilde Siedlungen“, an deren Stelle bald ein großes Lager auf einer Gewerbebrache entsteht.
Sehr nüchtern und doch anschaulich stellen die AutorInnen mit Hilfe von analytischen Zeichnungen die alltägliche Geografie der Flüchtlinge dar, sowohl beim Tagesablauf innerhalb der Halle als auch in der Region bei ihren Versuchen, nach England zu gelangen.
Das Heft „Anti-Vandal. Mietbare Eigentumssicherung“ ist eine Art Bilderbuch, in dessen Mittelpunkt unauffällige Stahlelemente mit dem Namen „Sitex“ stehen. Diese industriell gefertigten, perforierten Platten sichern die Öffnungen ungenutzter Häuser gegen potenzielle Nutzer. Das Bauteil wird zum Zeichen für Leerstand und steht damit für den normativen Umgang mit Raum. Der, wie die AutorInnen schreiben, folgt „einer Eigentumslogik, die die Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Raum gerade in seiner Nicht-Nutzung am sinnfälligsten einlöst“.
Diese auf unterschiedlichen Ebenen begonnene Annäherung an Raum könnte den aktuellen kritischen Diskurs im Umgang mit der Umwelt jenseits von Flaneurgeplänkel, Wirtschaftlichkeitsrechnungen, ästhetischen Banalitäten, die schlussendlich allesamt auf der Oberfläche bleiben, fortsetzen. Mögen die RedakteurInnnen einen langen Atem haben. MIKAS
Eine Einzelnummer An Architektur kostet 2,50 €, die Nummern 1 bis 3 kosten zusammen 6 € (erhältlich z. B. bei „pro qm“, Alte Schönhauser Str. 48, 10178 Berlin). Internetadresse: www.anarchitektur.com
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