frische mädchen, frische brötchen:
von FANNY MÜLLER
Endlich wieder nach La Palma! Auf dem Hinflug saß nebenan ein hüstelnder Herr, der 2,5 Stunden benötigte, um die Bild-Zeitung zu lesen, was ich ja offen gestanden auch gern können würde, weil man auf diese Weise nicht immer so viel zu lesen mitnehmen muss.
In meiner Jugendzeit gehörte es sich, dass junge Mädchen bis vier Uhr nachmittags schliefen, wenn sie frei hatten. Nicht so die zweite Nichte und Paulina, ihre Freundin, die mich begleitet hatten. Um sieben Uhr morgens standen sie gestiefelt und gespornt an meinem Bett und schmetterten: „Ja ja, in Spanien, da gibt es Mädchen, und die sind frischer als frische Brötchen . . .“ Komisch, ich dachte immer, dass ich mich an jeden bescheuerten Schlager der letzten hundert Jahre erinnere, aber an diesen nicht. „Dann zischt mal ab, um welche zu holen“, ächzte ich. Aber sie ließen mich nicht in Ruhe, sondern schleppten mich in eine Bar, wo wir frühstücken mussten. Zum Glück war es keine Macho-Männer-Bar, wie sie nur in den etwas größeren Städtchen anzutreffen ist. Von diesen ließen sie dann keine aus. Allerdings guckten sie nur kurz hinein, riefen munter: „Na – so allein?“, und marschierten weiter, zur nächsten Bar. Ich bin ja auch sehr für die Emanzipation der Frau, aber nicht im Urlaub.
Mittags, am Strand, unterhielten sie sich über ihre Lehrer, die anscheinend nach kurzer Zeit immer „in die Klapse“ kamen. Was mich übrigens überhaupt nicht wundert, denn in einer schönen, gemütlichen psychiatrischen Anstalt hätte ich mich bestimmt auch besser erholt. Anschließend schrieben sie haufenweise Karten an die daheimgebliebenen Freunde, aber von dem Erwerb von Briefmarken sahen sie ab: „Ja – was denn?! Da ham wir schon den Ärger mit dem Kartenschreiben . . .“
Eigentlich wollten wir auf La Palma das „Girlscamp“ nachstellen (also, ich nicht!), aber die Super-8-Kamera von Paulina funktionierte glücklicherweise nicht, die war von einem Freund geliehen, dem sie auch schon mal Karten geschrieben hatte. Da war die Nichte sauer, denn sie wollte die blonde Schlampe mit den teuren Badelatschen spielen. Stattdessen spielten wir das Geld-Spiel. Das ist irgendwas mit Karten. Bube, Dame, König, Ass legt man auf den Tisch und packt dann Geld drauf. Als ich zwei Millionen Peseten Miese hatte, gab ich auf. Danach spielten wir das Frauennamenspiel: Flair und Ambiente, die begabten Töchter des Innenarchitekten Dr. C. . . . Aorta von Königsmarck, Freundin von August dem . . . Die schönen Zwillingsschwestern Antibiotika und Anabolika, geliebte Töchter des 2. Vorsitzenden des Olympischen Komitees . . . So reihte sich ein schöner Tag an den anderen.
Auf dem Rückflug kam ich mit einem etwa zehnjährigen Jungen ins Gespräch, der neben mir saß, den fragte ich, was Pokémons eigentlich sind. Dass es nichts zum Essen ist, wusste ich schon. Er war sehr erfreut und sagte mir alle Namen auf. Als er beim achtzigsten angekommen war, sagte ich, dass das jetzt okay wäre, aber da mussten wir schon aussteigen, und er sagte: „Danke für das Gespräch!“ Immerhin! Solche Jugendliche gibt es also auch noch.
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